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Kategorie: Die Geschichte von Parsonis

Vom Erscheinen und Verschwinden der Schamanen

Der magische Staub über Sariat lichtete sich nur langsam. Die Sari erschienen nicht plötzlich oder kurz nach der Explosion, sondern brauchten Jahre, in denen die intensiven, magischen Energien durch alles, das durch die Explosion zerblasen worden war, zu dringen, es zu durchweben und neu zu formen. Die Gräser und etliche Pflanzen waren einfacher, wuchsen schneller und hatten die wilde, zerklüftete Insel, deren Alleinstellungsmerkmal ein viele tausend Meter in die Höhe ragender, erloschener Vulkan in der nördlichen Hälfte des Eilands darstellte, rasch überwuchert und insbesondere den Süden und den Westen mit einem dichten Wald und Dschungel bedeckt. Dann, als wären sie einfach aus dem Boden aufgestiegen, wandelten von einem Tag auf den nächsten die humanoid aussehenden Sari über die Insel, blickten einander fragend an. Ihnen waren nur Bruchstücke der Erinnerungen jener Wesen, die sie einstmals gewesen waren, geblieben. Kultur, Sprache, Ursprung – alles war ihnen so fremd wie einsamen Wanderern, die in einer völlig neuen Welt und ohne jeden Kontakt zur alten, unbekannten Heimat gestrandet waren. Nur mühsam fanden sie Nahrung in dem Dschungel, wussten aber durch die spärlichen Erinnerungen zumindest um grundlegende Dinge wie Ackerbau, das Fertigen von Werkzeugen und andere, elementare Kenntnisse. So entstanden die ersten Felder, die rasch mit wildem Reis, Getreide und Früchten, die aus Wald und Dschungel geerntet wurden, auf großen Lichtungen, in frisch gefällten Wiesen und offenen Flächen einen Platz fanden. Wie und wo Dinge zu finden waren wussten einige Wenige der Sari vom stillen Flüstern, das ihnen in den Geist sprach – auch wenn ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht klar war, wem diese Stimme gehörte. Ihre Artgenossen waren zunächst über diese seltsamen Lauscher, wie sie sie zuerst nannten, verwirrt. Doch als diese bewiesen, dass ihre Vorhersagen, wo eine Trinkwasserquelle zu finden wäre, an welchen Stellen Getreide besonders großen Ertrag bringen würde, welche Bäume gefällt und in welche Richtung zu lehnen sein sollten, um eine sichere Herberge zu finden, in welchen Ecken der vielen, kleinen Riffs die meisten und größten Fische zu fangen waren und wie viele Fische für das Überleben aller Sari ausreichen sollten, wuchs der Ansehen dieser Horcher. Schnell hatten jene, deren offensichtlichstes Merkmal ihre strahlend grünen Augen waren, eine wichtige Rolle im lediglich vierhundert Seelen zählenden Stamm inne – und auch einen passenderen Namen, den sie von diesem Tage an erhielten und auf ewig tragen sollten: Schamanen.

Mit den Jahren wuchs der Stamm weit über die Zahl der vierhundert Seelen hinaus, wuchs das kleine Dorf mit seinen Holzhütten und Baumhäusern, den Höhlen und simplen Blattbauten zu einer Siedlung, die von diesem Tage an Stein für solidere und dem Wetter besser gewappnetere Häuser bestehen sollte. Einige Holzhäuser allerdings blieben bestehen – weiter entfernt und außerhalb der Siedlung, nahe den Feldern, den Fischgründen und tief im Wald verborgen, damit weiterhin Kräuter, Wurzeln und Knollen gesammelt werden konnten. Und erst beim Bau dieser Häuser fiel auf, dass nicht nur die Schamanen, die weiterhin als wichtige Entscheidungsträger in der Gemeinschaft angesehen wurden, zu besonderen Mächten fähig waren. Im Gegenteil merkten die Sari schnell, dass jeder von ihnen auf eine gewisse Art und Weise besonders zu sein schien.

„Sariat hat uns allen ein Geschenk verliehen, auf das wir es in uns tragen und es uns helfen möge auf unserem Wege.“ Erklärten die Schamanen diese besonderen Fähigkeiten. Ausgesprochene Stärke war nur eine dieser Fähigkeiten, die es einigen erlaubte, massive Felsen zu bewegen, für die andere selbst zu zehnt und mit Werkzeug ihre liebe Not hatten. Andere dagegen besaßen die Fähigkeit, nicht nur Minuten, sondern Stunden unter Wasser zu schwimmen, ohne je die Not nach Luft zu verspüren. Wieder andere hatten ein derart feines Geschick in ihren Fingern und so feine Augen, dass sie mit bloßen Händen Fäden zu eindrucksvollen Kleidern zu weben wussten und jedem Webstuhl Konkurrenz machten. Doch besonders edel war die Fähigkeit der Heiler, die jenen, die sich verletzten oder erkrankten, einen Teil ihrer Lebensessenz leihen konnten, um selbst die schwersten Verwundungen, Seuchen oder potentiell tödliche Verwundungen nicht nur zu überleben, sondern diese binnen Minuten statt Tagen oder Wochen zu heilen. Ihnen allen dagegen war die Fähigkeit gegeben worden, überdurchschnittlich schnell zu lernen, sich Dinge einzuprägen und wiedergeben zu können, ohne sich Notizen oder andere Aufzeichnungen anfertigen zu müssen.

Dank dieser Geschenke, die tatsächlich in der Kultur der übrigen Völker durchaus bekannt waren, jedoch die aktive Nutzung von Magie erforderten, um in den Genuss der Vorteile zu gelangen, wuchs die Zivilisation der Sari binnen hundert Jahren zu einer Zahl von über zweitausend an, wuchs die ehemals kleine Siedlung zu einer kleinen Stadt. Leider aber wuchs mit der Zahl der Sari, die auf Sariat lebten, nicht die Zahl der Schamanen, deren Zahl weiterhin bei lediglich vier verblieben war und nach besagten hundert Jahren gar auf nur noch zwei gefallen war. Doch mit der steigenden Zahl an Bewohnern wuchs der Wunsch und das Bedürfnis nach Führung ihres Volkes – ein Umstand, den die beiden Schamanen ablehnten. Ihre Arbeit umfasste nicht die Führung eines Volkes, sondern die Anleitung und das Gehorchen der Stimmen der Erd-, Wasser- und Lebensgeister der Insel und der gesamten Welt, mit denen allein sie in Zwiesprache treten konnten und die sie vor drohenden Katastrophen warnten. Diese Geister waren es auch, die den Sari eine Regierung vorschlugen, die aus der Mitte der übrigen, fähigen Bürger gewählt werden sollte.

Ein Rat der Ältesten wurde als Regierungsform beschlossen, bestehend aus fünf Vertretern der unterschiedlichen Bereiche – des Handwerks, des Ackerbaus, der Fischerei, des Wissens und der Verteidigung vor allem, was den Frieden der Insel bedrohen sollte. Und so gerecht der Rat auch war, so zeigte sich schnell, dass deren Diskussionen und Ansichten teils stark auseinanderdrifteten, es Streit um Dinge der Landnutzung, der Expansion, der Verteidigung und so ziemlich allen anderen Themen, die ihnen zur Entscheidung vorgelegt wurden, gab. Nach zwei Jahrzehnten schließlich kamen sie und die übrigen Einwohner der Insel zu der Überzeugung, dass sie eine Spitze, einen Anführer brauchten, um in Entscheidungen des Rates das letzte Wort zu haben. Und entgegen aller Proteste des letzten, verbliebenen Schamanen, der nun schon ein stattliches Alter erreicht hatte, wurde ebendieser als erster Herrscher von Sariat gewählt, erhielt damit als erster den Titel des Regenten – des vom Volk und des Ältestenrats gewählten Herrschers von Sariat.

Doch die Herrschaft von Regent Aethem Warn, wie der letzte Schamane der Sari genannt wurde, währte nur noch fünf Jahre, ehe er im Alter von 97 Jahren zur Erde zurückkehrte und die Sari damit erneut vor die Frage nach einem Herrscher stellte. Mangels neuer Schamanen – in den letzten fünfzig Jahren waren keine weiteren geboren worden – fiel die Wahl auf einen jungen Gelehrten, dessen Fähigkeiten insbesondere in der Wahr- und Weissagung gelegen hatten und der als ersten Erlass den Bau eines großen Schlosses in Auftrag gab, um das Andenken von Aethem Warn auf Ewig zu wahren. Der Beschluss wurde sogleich umgesetzt und im Laufe von zehn Jahren – was für die Sari und deren Baukunst in Anbetracht ihrer Fähigkeiten schon eine enorme Zeit darstellte – wuchs inmitten eines kleineren Nebenberges des Mori (wie die Sari mittlerweile den Vulkanberg aufgrund seiner pechschwarzen Hänge nannten) eine stattliche, ganz aus weißem Marmor geformte und prachtvolle Burg heran, deren Zinnen von grüner Jade bedeckt wurden. In Anbetracht dieser immensen, baulichen Anstrengung jedoch litten andere Bauprojekte, herrschte die Jahre darauf Hunger, brachen Lagerhäuser, die vernachlässigt worden waren, unter den tobenden Stürmen zusammen, verwüstete ein Feuer zahllose Wohnhäuser und nahm die Bevölkerung wieder langsam ab. Der junge Gelehrte, der in den ersten zwei Jahrzehnten stets der Mehrheit seiner Anhänger gewiss gewesen war, verlor zusehends an Rückhalt. Unruhen brachen über die Sari, Streit brach über sie herein und es war mit einem Mal am Rat der Ältesten, für Ordnung zu sorgen und den Regenten in seine Schranken zu weisen. Dieser jedoch reagierte mit Verärgerung, erließ Verordnungen, um den Rat seinerseits zu entmachten.

Das Jahr 173 nach der Explosion und Neugestaltung von Sariat war schließlich das Jahr, in dem das Volk und der Ältestenrat gemeinsam gegen ihren Regenten aufbegehrten, ihn seines Amtes enthoben und aufgrund seiner Taten von der Insel verbannten. Der Name Horm Elevir, der einstmals dem jungen und vielversprechenden Seher gehört hatte, wurde von diesem Tage an nicht wieder ausgesprochen – und wenn, dann nur in Verwünschungen. Es war auch jener Tag, an dem das Volk beschloss, dass es keinen Regenten mehr brauchte und der Ältestenrat, der die Jahre zuvor bereits für Ordnung gesorgt hatte, die Geschicke des Volkes besser lenken könne. Und so war es auch – bis zum Jahre 189.

Im Jahre 189 schließlich brach, ohne dass die Sari davon gewarnt worden wären, der Berg Mori mit lautem Getöse und wilden Explosionen aus, goß brennende Lava, heiße Asche und riesige, rasiermesserscharfe Felsen über die nah gerückten Siedlungsbauten. Erneut verloren viele ihr Heim und alles, was sie sich über die Jahre aufgebaut hatten, versanken die Sari in ungeordnetem Chaos. Der Ältestenrat hatte Mühe, sich zu Entscheidungen durchzuringen, wie und an welcher Stelle am Besten geholfen werden konnte, plante im Voraus und vergaß damit jene, die am dringendsten und unmittelbar Hilfe brauchten. Zu ihrem Glück allerdings griff ausgerechnet ein junger, überaus flinker und geschickter Sari, der zuvor nur auf den Feldern gearbeitet und seinen Eltern geholfen hatte, jenen Hilfesuchenden unter die Arme, rettete nicht wenige aus dem sicheren Tod, der ihnen durch die herannahende Lava gewiss gewesen wäre. Dies allein wäre bereits Erwähnung wert gewesen, doch als ebendieser junge Sari ohne jeglichen Schutz mitten durch die glühend heiße Lava hindurch rannte, um zwei junge Kinder vor dem sicheren Tod zu bewahren und dabei nicht einmal ein einziges Haar versengte, wurden auch die Mitglieder des Ältestenrates auf ihn aufmerksam.

Als Wochen später die schlimmsten Katastrophen bereits ausgestanden waren und die Bürger dem Ältestenrat mit Vorwürfen über die mangelnde Hilfsbereitschaft während der Katastrophe arg zusetzten, erinnerten sie sich an den Jüngling, der mit seinen zarten 15 Jahren derart tapfer und sonderbar von den Geistern geschützt für die Rettung unzähliger Bürger gesorgt hatte. So rief man ihn herbei, um ihm für seine Taten zu danken und ihn zu ehren. Die Bürger aber verlangten bei der Ehrung noch mehr – insbesondere die Älteren, die die Vorteile eines Regenten noch kannten und um die schnellen Entscheidungen dieses Jünglings wussten, forderten, ihn auf diesen Posten zu nominieren und ihm mehr Macht zu verleihen, als der vorherige Regent besessen hatte. Gerade die Älteren sahen nämlich in der Tatsache, dass der Ältestenrat den Regenten quasi entmachtet hatte, den wahren Grund für das Chaos der Jahre.

Doch als der junge Vector Tazad vor die Ältesten trat, die laut rufenden und verlangenden Bürger im Rücken, wandte er sich um und stellte sich vor den durch die älteren Sari so attackierten Rat und erhob die Stimme.

„Meine Taten in den vergangenen Wochen waren ebenso wichtig und notwendig wie alles, was der Rat getan hat. Ich tat dies, um die Leben vor dem unmittelbaren Tod zu bewahren. Der Rat indes tat es, um sie vor dem mittelbaren Tod zu bewahren. Wenn ihr sie nun kritisiert, so kritisiert auch mich für meine Taten.“

Die Worte des Helden von Sariat, wie er ab diesem Tage genannt wurde, hinterließen Eindruck bei den Bürgern. Und auch der Rat der Ältesten erkannte, dass dieser junge Sari trotz seines noch geringen Alters bereits eine Weisheit besaß, die der eines Schamanen ebenbürtig wäre – auch wenn man mittlerweile nur noch aus Geschichten von den Schamanen wusste.

Neuerlich fand so die Wahl statt, ob Vector Tazad der neue Regent von Sariat werden und von der Burg Aethem aus die Geschicke seines Volkes und jener der Insel führen sollte. Eine überwältigende Mehrheit des gesamten Volkes und alle Mitglieder des Ältestenrates stimmten dafür, blickten so auf Vector mit der Frage, ob er diese Wahl und die damit verbundene Verantwortung akzeptieren würde.

Vector willigte unter drei Bedingungen ein. Zum einen wünschte er, dass der Rat von ehemals fünf Mitgliedern auf neun vergrößert werden und ihm als ständiger Berater zur Seite stehen sollte – mit den selben Befugnissen, die ein Regent zu treffen berechtigt war, zum anderen eine Stellvertreterin, die er selbst wählen und als Gemahlin mit ihm gemeinsam seine Macht teilen sollte. Schließlich verfügte er noch, dass der Rat regelmäßig vom Volk ernannt und er, der Regent und seine gesamte Sippe alle sieben Jahre durch das Volk bestätigt werden sollte.

Der Ältestenrat war verwirrt ob der Forderungen des neuen Regenten, die allesamt seine eigene Macht verringerten und ihm eher Probleme machen würden, doch sie stimmten ihm in allen Punkten zu. So wurde Vector Tazad im Jahre 190 n.E. zum zweiten Regenten von Sariat.

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Der Anfang

Milliarden und Abermilliarden von Sternen füllen unser Universum. Eine Zahl, deren bloße Erwähnung bereits die Vorstellungskraft eines jeden Lebewesens sprengen mag. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass unzählige dieser Sterne nicht etwa allein und isoliert, sondern in Partnerschaft mit Planeten auf ihren Bahnen im Universum umher rasen, einige dieser Planeten wiederum Monde an sich gefesselt halten und die wundersamsten Umweltbedingungen beherbergen, so sinkt die Besonderheit des kleinen, blauen Planeten, den die Menschheit gerne als „Erde“ bezeichnet, doch schnell in die Bedeutungslosigkeit hinab, erkennt man überdeutlich, dass dieser, unser Planet nur einer von vielen Millionen oder gar auch Milliarden sein muss, die im Universum existieren. Auf manchen mag sich gar ebenfalls Leben entwickelt haben, mögen die Umstände der Entstehung ebendieses Lebens aber gänzlich andere sein, als wir es von der Erde kennen. Denn obwohl wir Menschen stets meinen, doch so viel zu wissen, so zeigt sich erst bei Konfrontation mit den schieren Größen an Möglichkeiten, dass unser Wissen in Wahrheit eher einem einzelnen Tropfen in einem unserer Ozeane gleichkommt.

Parsonis ist so eine Welt, die in den Tiefen des Universums um einen Stern kreist, der seinerseits Monde um sich hält und der Leben beherbergt. Hier jedoch enden die Gemeinsamkeiten zwischen der Erde und Parsonis, denn das Universum schenkte diesem Planeten nicht nur ganze drei Monde unterschiedlichster Größen und Umlaufbahnen, sondern machte dem Planeten noch ein Geschenk jener Substanz, die in unserer Welt so gering und selbstverständlich vorhanden ist, dass sie nicht als eigenes Element wahrgenommen wird. Eine Substanz, deren Charakteristika kein Periodensystem erfassen, keine wissenschaftliche Arbeit beschreiben und der menschliche Verstand doch so klar wahrnehmen kann wie das Glas Wasser auf einem Tisch. Diese Substanz hat viele Namen, denn sie ist im Universum auf vielen Welten zu Hause. Manche nennen sie Midi-Chlorianer und dichten ihnen intelligente, lebende Kräfte an. Andere wiederum nennen die Substanz „Spice“ oder andere, überaus seltsam wirkende Namen. Nur wenige benennen diese weiße, leicht bläuliche Substanz bei dem Namen, der gleichbedeutend mit Energie und Kraft gebraucht wird.

Mana.

Die Präsenz dieser Substanz in Mengen, die nicht nur in der Luft und der Umgebung, sondern gar in großer Zahl als elementare Ablagerungen, Kristalle und Felsmassive das Angesicht von Parsonis zierten, ließ das Leben andere Wege finden, als sie auf der Erde vorstellbar gewesen wären. Mächtige Drachen mit übermenschlichen Kräften und Intelligenz sowie deren schlankere, aber magisch begabte Abkömmlinge, zwei menschenähnliche Stämme in den unterschiedlichen Klima- und Geländezonen und eine reiche Tierwelt, die nicht weniger außergewöhnlich in Erscheinung auftritt als die Landschaft selbst. Und auch wenn die Stämme sich äußerlich durchaus ähnlich sahen, so waren sie doch im Inneren, in ihren Herzen und ihrer Lebensweise so gegensätzlich wie Tag und Nacht; Krieg und Frieden selbst.

Früh trafen die beiden Sippen aufeinander – eine durchaus unangenehme Angelegenheit für beide Seiten. Denn während die eine, die Plexar, mit roher Gewalt und Herrschaftsanspruch in den Krieg gegen ihre Beinahe-Artgenossen zog, konterte diese, man nannte sie auch Filou, mit Raffinesse, Taktik, List und Tücke. Es ergab sich ein Patt, das auch über die Jahrzehnte und Jahrhunderte, die auf ihre erste Begegnung folgen sollten, nicht auflöste.

Mit der Zeit verschwammen die harten Grenzen zwischen den beiden Sippen, führten vereinzelte Ausreißer beider Seiten dazu, dass sich eine Mischsippe bildete, die von keiner der beiden Seiten so recht geachtet oder verstoßen wurde. Und doch war es diese Sippe, die beide Stärken in sich zu bündeln wusste und eine Balance zwischen Gewalt und Logik fand. So nannte sich dieser neue Stamm, der in Wahrheit eine Mischung beider Stärken und gleichzeitig das Zünglein an der Waage zum Frieden auf Parsonis darstellte, selbst Statis.

In den folgenden Jahrhunderten bewies sich jedoch, dass der Frieden und die Balance überaus brüchig waren. Technischer Fortschritt erleichterte Gewalttaten – aus Keulen und spitzen Steinen wurden scharfe Klingen, aus Wurfgeschossen Pfeil und Bogen und die Möglichkeiten, die immer noch entweder geschmähten oder gehassten Rivalen unter die Erde zu bringen, größer. In diese Phase der Entwicklung stießen ausgerechnet die Drakonier – jene magisch begabten Abkömmlinge der Drachen – zu den menschenähnlichen Wesen auf der Suche nach Verbündeten gegen ihre übermächtigen, gigantischen und brutalen Widersacher.

Erneut entbrannte ein Konflikt, schlugen die Plexar, Filou und Stati gemeinsam gegen die Drachen, erhielten im Gegenzug von den Drakoniern das Wissen um Magie und deren Einsatz. Dies, so würden sich Geschichtsschreiber in vielen Jahrhunderten erinnern, war der Moment, an dem das fragile Machtgefüge zwischen den drei Fraktionen bröckelte und schließlich gänzlich kippte.

Als die Drachen nach Jahren des Konflikts endlich vertrieben und in die Berge, die Wüsten und Eismeere zurückgedrängt worden waren, wussten die Plexar als Erste die neu erworbenen, magischen Fähigkeiten gegen ihre verhassten Artgenossen anzuwenden. Lediglich die Grenzen der Verfügbarkeit von Mana, das trotz der überdurchschnittlichen Häufigkeit nur spärlich an der Oberfläche von Parsonis zu finden war, limitierte die brachialen Vorstöße der wilden Kämpfer. Die Filou und Statis wiederum verbündeten sich beim Versuch, gegen die wilden, ungezügelten Angriffe der Plexar stand zu halten. Doch statt den Konflikt einzudämmen und auf die eigenen Territorien zu begrenzen dehnte sich selbiger immer weiter aus, erstreckte sich auf der Suche nach Manareserven auf immer weitere Teile der Welt und sogar hinaus auf das endlose Meer. Hier endlich fanden die Plexar und Filou nahezu gleichzeitig eine Landmasse, die vor Mana nur so strotzte.

Sariat war mehr als zwei Schiffswochen vom Festland entfernt und hielt dennoch eine Besonderheit, die sie trotz des langen Wegs für beide höchst begehrlich machte: Kristallines, reines Mana, das die Insel geradezu überwucherte. Die Dichte dieser Kristalle war derart groß, dass schon ein einzelner, handtellergroßer Abschnitt einem magiebegabten Wesen ausreichend magische Kräfte für ein ganzes Jahr verleihen konnte – oder einen extrem mächtigen Zauber, der andernfalls das Ende des Magiewirkenden bedeutet hätte.

Binnen weniger Stunden landeten sowohl die Plexar als auch Filou nahezu alle ihre Truppen an der neu entdeckten Insel an, drängten schnell ins Inland und trafen aufeinander. Beiden Seiten war klar, dass derjenige, der die Kontrolle über diese Insel gewinnen würde, auch diesen Konflikt zwischen beiden Seiten für immer und ewig entscheiden könnte. Entsprechend energisch gingen beide gegen ihre Widersacher vor, hielten sich selbst die sonst eher defensiv agierenden Filou nicht länger zurück und nutzten all ihre neu erlernten Kräfte, um ihren Widersachern entgegen zu treten, die ihrerseits ebenfalls alle ihnen zur Verfügung stehenden Kräfte bündelten und ihren ungeliebten Vettern entgegenwarfen.

Sariat, die Insel mit dem kristallinen Mana, reagierte auf ihre Weise auf die Konflikte, die auf ihr stattfanden. Denn obwohl beide Seiten durchaus behände mit ihren neuen, magischen Fähigkeiten umzugehen wussten, hatten sie weder den Kern der Magie, noch ihre Gefahren jemals richtig studiert oder beurteilt. Und so kam, was unvermeidbar geschehen musste: Das kristalline Mana der Insel reagierte mit den Kampfzaubern beider Seiten, verstärkte diese um das Millionenfache und ließ binnen weniger Augenblicke alles Leben, alle Bauwerke und alles, was im engeren Umkreis der Insel lag, in einer einzigen, bläuliich-grellen Explosion vergehen. Lediglich die vereinzelten Schiffe der Filou und Plexar, die weit genug von der Insel entfernt vor Anker lagen, überstanden die Explosion, deren heftige Wellen und dichter, nahezu undurchdringlicher Dunst aus Staub, Gischt und magisch blitzenden Gewittern wie eine Glocke über der vormals prächtigen Insel lag.

Mit nur einem Schlag war die Insel aus dem Rennen. Doch noch etwas war geschehen: Die herben Verluste von sowohl Plexar als auch Filou und das erschreckend plötzliche Ende beider Armeen ließ die Kontrahenten innehalten. Und endlich, mit Hilfe der Statis, gelangten beide Seiten erneut zu einem brüchigen Frieden, der neuerlich über zwei Jahrhunderte halten sollte. Die Insel Sariat und die umliegenden Gewässer wurden indes offiziell als Sperrgebiet eingestuft, das keinesfalls von Schiffen befahren werden sollte. Zu präsent waren die grausamen Tode der eigenen Leute.

Das die drei Völker die Natur der Magie, mit der sie so leichtfertig umgegangen waren, nicht einmal im Ansatz wirklich und wahrhaftig begriffen hatten, sahen sie nicht mehr. Die dichten Wolken  verbargen, wie sich aus der Zerstörung der oberflächlichen Strukturen der Insel, aller Lebewesen und aller kämpfenden Soldaten, Magiewirker und sonstigen Anwesenden neue Strukturen zu bilden begannen, das Leben selbst neue, fremde Formen annahm und, erfüllt von magischen Energien, die selbst die der Drakonier in den Schatten stellten, eine neue Spezies erschuf. So verwoben die auf der Insel vormals lebenden wilden Tiere, die brutalen Plexar, die geschickten Filou und die grenzenlosen Energien der freigesetzten, wilden Magien zu einem Volk, das von diesem Tage an nur noch als das Volk der Sari – der Kinder der Insel Sariat – bekannt werden sollte.

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