Lautes Tosen von massiven Ketten, die aus ihrer Verankerung gerissen und über den Boden gezogen wurden, füllte die hohe, weitläufige Halle, die noch vor wenigen Wochen verborgen in den dunklen Tiefen des Tals der Blüten gelegen hatte. Laute, kehlig klingende Befehle schnitten durch die Lärmkulisse, die von Dutzenden schwer gerüsteter Orcs in einer zwar chaotischen, aber dennoch irgendwie synchronen Choreographie mündete.
„Bewegt euch! Diese Ketten werden in Orgrimmar benötigt, um unsere neue Waffe zu verstärken!“ brüllte eine der Wachen, die von Höllschrei höchst selbst dazu auserkoren worden war, das Chaos so weit zu ordnen, dass seine Befehle zu seiner Zufriedenheit ausgeführt wurden, während er sich um seine unerwünschten Gäste kümmerte.
Diese Gäste waren zwei Pandaren, die, umgeben von vier Wachen, vor ihm auf dem Boden knieten, während er sich am Leid des Dickeren der beiden ergötzte. Eine lange, tiefe Wunde zierte dessen Brustkorb, aus dem stoßweise Blut drang und an ihm hinab lief, während eine jüngere, schlankere und weibliche Pandarin ein Bündel Bandagen gegriffen hatte und diese nach Kräften auf die Wunde zu drücken versuchte, während ein grünlicher Schimmer um ihre Hände waberte. Wäre sie geübter gewesen, hätten die Ströme, die sie zu wirken versuchte, die Wunde binnen weniger Sekunden zumindest so weit verschlossen, dass die Blutung zum Erliegen gekommen war. Doch dazu war sie zu jung, zu unerfahren, hatte außer in ihren ersten Trainingslektionen nie wirklich Heilungszauber gewirkt. Ihre Ausbildung stand erst am Anfang – und nun fürchtete sie, dass ihr ein baldiges Ende drohen mochte.
„Lass….ich habe…versagt….“ Versuchte der größere der beiden Pandaren die jüngere Pandarin davon abzuhalten, die Wunde weiterhin zu behandeln. Höllschrei indes stand amüsiert vor den beiden, hielt die Axt drohend in Richtung der Pandarin und wies sie an, mit dem weiterzumachen, was sie dort tat.
„Oh nein, alter Mann. Ihr werdet leiden und sehen, wie die Macht der Horde ALLES beherrscht. Ihr werdet erst sterben, wenn ICH es euch GESTATTE!“
„Kriegshäuptling. Die Soldaten haben ein Problem mit den Verankerungen. Sie scheinen etwas festzuhalten, das…“ begann der Orc, der noch eben im Zentrum des Raums gestanden hatte, um die übrigen Soldaten zu koordinieren. Doch statt sich die Bedenken seines Untergebenen anzuhören, drehte Höllschrei lediglich den Kopf in seine Richtung und brüllte ihn mit voller Lautstärke an.
„MICH INTERESSIEREN DIESE VERANKERUNGEN NICHT! BEFOLGT EURE BEFEHLE!“
„Ja, Kriegshäuptling!“ entgegnete der Soldat schnell, hob die Faust und hämmerte sie sich auf die Brust. Das Letzte, was er wollen konnte, war Höllschrei zu verärgern. Allerdings reichte schon das bloße Überbringen einer Nachricht, die ihm nicht gefiel, schon aus, um Höllschrei EXTREM zu verärgern. Und derartiger Ärger endete für den Boten generell tödlich. Also wandte er sich um, rannte zu den Soldaten und wies sie an, auch die Verankerungen aus dem Boden zu reißen und durch das riesige Magierportal, das von zwei Magiern offen gehalten wurde und direkt in die Tiefen Orgrimmars führte, zu verfrachten. Warum es ausgerechnet diese Ketten sein mussten, verstand er indes ebenso wenig wie die Tatsache, dass Höllschrei dafür seine Krieger und nicht die Peons bestimmt hatte. Einige der Dunkelschamanen hatten zwar etwas von einem Sha, das die Ketten erfüllen würde und hier in dieser Kammer besonders stark war gefaselt, doch derlei Unsinn interessierte ihn nicht. Für ihn und alle anderen Krieger ging es eigentlich nur darum, Befehle auszuführen, die von Klingen, die in Körper geschlagen wurden handelten. Darin waren sie gut, das war ihre Bestimmung und darin gingen sie auf. Das Schleppen von schweren Metallketten indes gehörte nicht zu den Dingen, die sie gerne verrichteten.
Der Gang erinnerte eher an einen Minenstollen denn einn validen, normalen Durchgang. Offensichtlich hatte jemand diesen Ort hier bewusst unter unzähligen Metern Erde vergraben, damit weder die Pandaren noch sonst jemand ihn jemals finden würden. Dummerweise aber hatte derjenige offenbar nicht mit der Beharrlichkeit eines Orcs gerechnet, der wahnsinnig genug war, sein eigenes Volk ins Verderben zu führen. Denn ansonsten wäre sicher mehr zum Schutz aufgeschüttet worden, als einige Meter Erde.
Xelestra musste sich an einigen der Holzbalken ducken, um sich nicht den Kopf anzuschlagen, blickte dann hinter sich und zu den beiden Paladinen, die schon aufgrund ihrer niedrigeren Körpergröße weniger Probleme mit dem Stollen hatten. Allerdings sah sie bereits bei einem flüchtigen Blick, dass sie sich hier ganz und gar nicht wohl fühlten.
Der Goblin indes hüpfte fast schon unbeschwert umher und wirkte auf sie, als wären derartige Stollen sein natürliches Zuhause. So gab er ihr auch keine Widerworte, als sie ihn kurzerhand voraus schickte, um nach eventuell noch vorhandenen Wachen Ausschau zu halten.
Eine logische Entscheidung der Todesritterin, ihn nach vorn zu schicken. Keine, auf die er stolz war und auch keine, die er sich selbst ausgesucht hätte, aber die einzig logische Entscheidung, wie Kweezil feststellen musste. Immerhin gab der Stollen, der wie im Zickzack und offensichtlich unter Anleitung von Goblinbergbauern entstanden war, mit seinen Nischen genug Deckung, damit er von Ecke zu Ecke huschen konnte, ohne gesehen zu werden, während er seinerseits selbst voran spähen konnte.
Ein Gedanke huschte durch seinen Kopf. Der Gedanke, sich einfach in einer dieser dunklen Nischen zu verstecken, zu verweilen und nicht aufzutauchen, bis die drei Tauren an ihm vorbei marschiert waren, um dann schnurstracks in der entgegengesetzten Richtung wieder zu verschwinden. Dann jedoch erinnerte er sich an die Abnormitäten, die draußen über sie hergefallen waren, den langen Weg zurück zum Schrein und die Allianzler, die von den Veränderungen im Tal zweifelsohne ebenfalls Wind bekommen und ebenso wie die Horde ein Großaufgebot entsandt haben mochten, um die Verderbnis zu bekämpfen und deren Ursprung zu ermitteln. Das er keinem von beiden so wirklich in die Arme laufen wollte, war klar – einzig unklar war, welcher von beiden ihn schneller und schmerzhafter ins Jenseits schicken würde.
Also seufzte Kweezil, schlich weiter voran und kam bald schon ans Ende des Stollens, der in eine große Halle mündete.
Große Halle? Guter Witz – die Beschreibung „gross“ reichte nicht einmal ansatzweise, um die Ausmaße dieses Raums zu beschreiben. Ein schneller Blick in alle vier Ecken des Raumes bekräftigte seine erste Einschätzung, dass der Schrein der zwei Monde mit seinen drei Stockwerken offensichtlich problemlos in dieser Hallte Platz gefunden hätte. Leicht links von ihm ragten zwei massive Türen auf, deren Erbauer entweder turmhoch gewesen sein mussten, oder dringend etwas kompensieren mussten und dies durch schiere Größe der beiden mächtigen Pforten taten. Die Tatsache, dass die Türknäufe in über fünf Meter Höhe und in passender Größe angebracht waren, legte jedoch eher Ersteres als Antwort nahe. Knapp hinter der Tür und auf dem Podest, von dem aus zahllos viele Treppen hinab in die eigentliche Halle führten, stand ein einzelner Orc und hielt scheinbar Wache, beobachtete den Stollen, in dem sich Kweezil noch versteckt hielt. Die Tatsache, dass er sich noch nicht bewegte und eher gelangweilt auf seine Axt gestützt auf dem Treppenabsatz stand, ließ Kweezil davon ausgehen, dass er ihn tatsächlich noch nicht erspäht hatte. Allerdings würde er zweifelsohne Alarm schlagen, sobald er auch nur einen von den vieren, die gerade in dem Stollen unterwegs waren, sehen sollte.
Kweezil blickte hinter sich, sah, dass die drei Tauren wohl nur noch ein oder zwei Minuten brauchen würden, ehe sie nicht nur in Sicht-, sondern auch in Hörweite des Orcs kommen würden. Also zog er einen kleinen Wurfdolch aus seinem Gürtel, griff an ein kleines Fläschchen und schraubte vorsichtig den Deckel ab. Dann ließ er die dünne, leicht hohle Klinge des Dolchs in die nun offene Flasche sinken, ehe er das Fläschchen wieder äußerst vorsichtig verschloss und verstaute. Erneut blickte er sich um, griff dann mit der linken Hand nach einem kleinen Stein und warf diesen im hohen Bogen über den Orc hinweg auf die Treppe.
Vom Aufschlag des Steins aus seiner Lethargie gerissen, wirbelte der Orc herum und starrte in die Richtung, aus der er den Aufschlag des Steins gerade noch gehört hatte. Nur Augenblicke später spürte er bereits, wie etwas Eiskaltes seinen Nacken traf und einen spitzen, brennenden Schmerz durch seine Adern schickte. Doch gerade als er seinen Mund aufreißen und laut losbrüllen wollte, fühlte er eine schlagartige, ihm bis dahin völlig unbekannte Enge um seinen Brustkorb und seinen Hals. Unfähig, auch nur einen Pieps von sich zu geben oder gar zu atmen blieb er wie angewurzelt stehen, packte sich mit einer Hand an seinen Hals, während seine Lungen verzweifelt nach Luft rangen.
Grünweißer Schaum quoll aus seinem Hals und zwischen seinen Hauern hinaus, ehe die Welt vor seinen Augen in Schwärze verschwand und ihm die Beine versagten. Dann stürzte er vornüber die Treppe hinab, schepperte hinunter und blieb schließlich leblos am Fuße der Treppe liegen, während Kweezil die Augen zukniff und auf die Zähne biss.
Verdammt. Sein teuerrstes Gift und dieser Trottel musste ausgerechnet nach vorn hin umkippen. DEN Krach von einem gerüsteten Orc, der die komplette Treppe runter stürzte, hatte nun zweifelsohne jeder andere Orc in der Halle und allen angrenzenden Räumen gehört. So wandte er sich um und lief den Tauren schnell entgegen, um sie zu warnen.
Tatsächlich hatte das Scheppern nicht nur die Orcs, sondern auch die beiden Pandaren erreicht, die sich verwundert ansahen. Binnen weniger Augenblicke waren Befehle in den Raum gebrüllt worden und lief ein Dutzend der Wachen in Richtung des Geräuschs, um nach dem Rechten zu sehen, während die anderen ihre Arbeit auf Geheiß von Höllschrei beschleunigten und die Reste aus dem Boden rissen.
Die Krieger rannten im Dauerlauf auf den unteren Treppenabsatz zu, erblickten dort den leblos am Boden liegenden Kameraden und starrten umher. Erneut wurden Befehle gebrüllt und teilten sich die Orcs in einzelne Gruppen auf, um die Verstecke innerhalb der großen, offenen Halle zu durchsuchen.
„Ihr drei – geht dort links lang! Und ihr vier dort nach vorne. Der Rest – mir nach!“ grunzte einer der Krieger. Doch gerade als er den Kopf wieder nach vorn richtete und voran marschieren wollte, blickte er unmittelbar in die Klinge der Todesritterin, die die Spitze ihrer Axt nur wenige Zentimeter vor seine Nase hielt. Ihr Blick war kalt und wenn überhaupt, dann nur von Entschlossenheit geprägt. Etwa vier Schritt hinter ihr standen die beiden Paladine, die ihrerseits ihre Waffen gezogen hatten – bereit, um sich gegen etwaige Feinde zu verteidigen.
Der Orc verzog sein Gesicht zu einem bösen Grinsen, hob seine Axt und setzte an.
„Angriiiippfpfpfpff…..“ begann er den Schrei, der mittendrin durch einen gezielten Streich der Todesritterin unterbrochen wurde, als sie die obere Hälfte seines Kopfes mit einem Schlag zu Boden schickte. Doch der Ausruf hatte gereicht, damit die übrigen elf Orcs ihre Waffen zückten und auf die drei Tauren einstürmten. Und nicht nur das – weitere Orcs rannten durch die in einiger Entfernung offen stehenden, riesigen Türen, hinter denen drei Gestalten zu erkennen waren. Doch nur eine davon hielt eine massive Axt in einer Hand.
Höllschrei.
Xelestra wirbelte mit ihrer Axt einmal kreisförmig nach vorn, schwang ihre Klinge dabei gegen fünf Gegner auf einmal und traf vier von ihnen mit schweren Schnitten, stürzte dann voran auf einen weiteren Orc, den sie aus vollem Lauf auf ihrer Axt aufspießte und sogleich zur Seite schleuderte. Dann fiel ihr Blick zurück auf die beiden Paladine, die nun ihrerseits ebenfalls auf die anstürmenden Orcs losgingen, während sich der Goblin im Schatten der beiden hinter ihnen aufhielt und seine Dolche gezogen hatte.
„Kümmert euch um die Orcs hier.“ Brüllte Xelestra, fokussierte einen weiteren Orc und riss ihn mit der unheiligen Macht, die nur ein Todesritter zu nutzen wusste, quer durch die Luft und mitten in den Schwung ihrer gewaltigen Axt, die ihrerseits ohne spürbaren Widerstand durch Fleisch und Rüstung schnitt, den Orc in zwei Hälften geteilt zu Boden sinken ließ. Dann starrte sie wieder nach vorn und in Richtung Höllschrei.
„Er gehört mir.“
‚Kümmert euch um die anderen‘ hatte sie gerufen. Ja sicher, viel anderes blieb den beiden Paladinen und dem Goblin auch nicht über, als die Todesritterin mit Anlauf voran stürmte und die Axt in Richtung Höllschrei schwang. Die übrigen Wachen traten, vom schnellen Tod ihrer Kollegen, die versucht hatten, die Todesritterin aufzuhalten, sichtlich beeindruckt, lieber den Sturm auf die übrigen Kämpfer an, die in ihren Augen ein leichteres Ziel abgaben. Nun, zumindest vermuteten sie das.
Kared hielt seinen breiten Streitkolben zum Schlag bereit, stürmte vor Nikariu und donnerte den mächtigen Kopf donnernd gegen die Seite der ersten Wache, die auf die drei zustürmte. Die Paladina trat ihrerseits rechts aus seinem Schatten hervor, hatte bereits ihr Schwert zum Schlag erhoben und schnitt damit tief in die Schulter einer zweiten Wache, die die Lücke ihres Kollegen sogleich schließen wollte, während Kweezil zwischen den Beinen und Hufen hindurch schoss, zwei weitere Wachen hinterrücks erwischte und ihnen seine Dolche in den Rücken rammte. Zwei schnelle Schnitte und die Wachen sanken kraftlos, aber noch immer lebendig, zu Boden, während er herumwirbelte und die Dolche in Richtung noch einer Wache schleuderte. Dann, noch mitten in der Bewegung, griff er hinter seinen Umhang, zog in der Drehung seine Klappflinte, die noch in der Bewegung zu ihrer vollen Länge zusammenschnappte und gleich darauf donnernd den Inhalt beider Läufe in das Gesicht der nächstbesten Wache entleerte.
„Ich hab schon drei. Und ihr?“ rief Kweezil amüsiert vom Boden hinauf zu den beiden Tauren, die jeder mit zwei weiteren Wachen gleichzeitig beschäftigt waren. Vor ihren Hufen lagen bereits jeweils auch schon vier erschlagene Streiter von Höllschrei. Doch entweder hatten die Wachen, mit denen sie sich nun beharkten, diese lediglich als Kanonenfutter nach vorn geschickt oder ihre Taktik war den Wachen mittlerweile klar, so dass sie sich auf die Paladine hatten einstellen können. Nur mit Mühe schafften sie es, von den Gegnern nicht nieder gerungen zu werden. Und auch Kweezil sah sich nun wesentlich zäheren Feinden gegenüber, hatte seinerseits Mühe, den Schüssen von zwei Scharfschützen, die sich auf ihn eingeschossen hatten, auszuweichen und gleichzeitig die Wache, die ihn mit einer mächtigen Zweihandaxt bedrohte, kein allzu leichtes Ziel zu geben.
Höllschrei blickte indes auf die Todesritterin, die mit blankem Zorn in den Augen auf ihn zu stürmte, amüsiert an. Überheblich trat er einige Schritte vor die beiden Pandaren, wies noch in einem Nebensatz zwei Wachen an, auf diese Acht zu geben, ehe er seine Axt hob und erst im letzten Moment zur Parade ansetzte, um den mächtigen Schlag der Todesritterin zu parieren. Dann, mit einem Mal, wurde ihm bewusst, dass er sie auf den ersten Blick wahrscheinlich unterschätzt hatte.
Der Schlag war heftig, hallte metallisch-laut wie eine Glocke durch die riesige Halle und ließ Höllschrei für einen Augenblick wanken. Als er sich wieder gefangen hatte, war die Todesritterin bereits zwei Schritte zur Seite ausgewichen, stieß mit dem stachelbesetzten Griff ihrer Axt in Richtung seines Kopfes, verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Erneut wirbelte sie herum, zielte mit der Klinge ihrer Axt auf seinen Hals.
„Deine Existenz ist zu Ende, Höllschrei.“ Knurrte Xelestra wütend mitten im Schwung. Zu ihrer Verblüffung wich er dem Schlag nicht aus, sondern packte ihre Hand mitten im Schwung und bremste so die Klinge einige Zentimeter vor seinem Hals. Dann, mit einer Leichtigkeit, die fast schon spielerisch wirkte, stieß er mit seiner Stirn gegen die Nase der Todesritterin und stieß ihre Axt gleichzeitig von sich.
Xelestra strauchelte einen Augenblick, fing sich aber binnen zwei Schritten, packte ihre Axt mit beiden Händen und schnaubte Höllschrei an.
„Du WAGST ES dich gegen deinen KRIEGSHÄUPTLING zu stellen?!“ brüllte Höllschrei. „Du minderwertes Stück Rindfleisch gehörst in die GOSSE!“
Nun war es Höllschrei, der voran stürmte und seine Axt schwungvoll gegen Xelestra führte. Die jedoch wich mit einem Ausfallschritt zur Seite, schwang dabei ihre Axt und traf ihn ihm Rücken, verpasste ihm dabei einen breiten Schritt. Höllschrei allerdings hatte sich seinerseits ebenfalls im Sprung in ihre Richtung gedreht, schwang seine Axt in ihre Richtung, traf ihren linken Arm. Sie versuchte den Schlag mit ihrer Armschiene zu parieren, scheiterte dabei aber teilweise, so dass die Klinge abrutschte und sich in ihren Unterarm bohrte.
„DU wirst es sein, der in der Gosse landet, Höllschrei. Als Leiche. Und diesmal wird dir niemand zu Hilfe eilen.“ Schnaubte Xelestra, hob ihre Axt, um erneut zum Streich anzusetzen.
Doch sie stutzte, als sie ihn sah. Anstatt sich vor Schmerzen zu winden oder zum nächsten Angriff bereit zu machen, stand er nur da und lachte lauthals.
„Glaubst du im Ernst, dass ich jemals auf einen von euch angewiesen war? Ich habe den Häuptling deiner niederen Art erschlagen. Und genau so einfach wie ihn werde ich nun auch dich erschlagen!“
Cairne. Dieser Sohn eines mutterlosen Ogers wagte es, sich hier und jetzt über Cairne lustig zu machen. Wut kochte in Xelestra hoch. Wut, die sie zu einem einzigen, mächtigen Schlag formen wollte. Wut, die ihre Hand treiben und ihm den Kopf abschlagen würde.
Doch nichts passierte. Sie starrte auf ihren linken Arm, die Wunde, die die Axt von Höllschrei geschlagen hatte, das Zittern ihrer Muskeln. Etwas stimmte nicht, etwas stimmte ganz und gar nicht.
Mit unbeschreiblicher Ruhe schritt Höllschrei langsam auf die Todesritterin zu, stand mit einem Mal direkt vor ihr.
„Tauren sind keine Mitstreiter. Tauren sind keine Gegner. Sie sind Beute. Und mit Beute kämpft man nicht. Man schlachtet sie!“ sagte er in Ruhe, während er langsam seine Axt hob, um seinerseits Xelestras Hals anzuvisieren.
Sie indes kniff die Augen zu, brüllte ihren Körper innerlich an, ihr endlich wieder zu gehorchen. Doch nichts schien zu passieren. So sah sie, wie Höllschrei die Axt mit viel Schwung auf ihren Hals zu schwang. Erst im letzten Moment spürte sie, wie zumindest etwas Kontrolle in ihren Körper zurück fuhr. Für eine Parade war es aber zu spät. Also tat sie das Einzige, was sie in dieser Situation tun konnte.
Xelestra ließ sich mit lautem Scheppern nach hinten weg fallen, klatschte wie ein Maikäfer auf den Rücken und ließ die Axt eine Hand breit vor ihrem Gesicht vorbei rauschen. Höllschrei, der davon völlig überrumpelt wurde, wirbelte, vom Schwung seiner eigenen Axt angetrieben, mit der Klinge mit und brüllte vor Zorn über seinen Fehler, während Xelestra sich mühsam am Boden auf den Bauch zu rollen versuchte, um schnell wieder aufzustehen. Doch ihr Körper war immer noch wie betäubt, ließ jede ihrer Bewegungen langsam, zäh und kräftezehrend werden.
„DU BLEIBST AM BODEN!“ brüllte Höllschrei wutentbrannt, als Xelestra sich aufzurichten begann, ihren linken Huf aufsetzte und beide Hände auf ihr Knie legte, um sich so nach oben zu pressen, trat seinerseits mit seinem gesamten Gewicht links gegen das Knie.
Mit einem lauten Krachen gab das Knie unter dem brachialen Tritt Höllschreis nach, drehte sich nach innen weg und ließ die Todesritterin wieder auf die Seite stürzen. Sie brüllte laut – teils aufgrund des Schmerzes, der nun durch ihr Bein schoss, teils weil Höllschrei ihr nun einen großen, einen wichtigen Teil ihrer Kampfkraft genommen hatte. Doch Höllschrei war noch nicht fertig mit ihr, trat weiter auf die am Boden liegende Todesritterin ein, donnerte seine Stiefel in ihren Rücken, ihre Seite, ihren Bauch und gegen ihren Kopf, ließ unter den heftigen Tritten Knochen zerschmettern. Für ihn war das hier kein Kampf – es war eine Bestrafung, eine Schlachtung von einem Beutetier, das ihm in seinen Augen nicht gewachsen war und es dennoch gewagt hatte, gegen seinen Herrn aufzubegehren.
„Lass sie in Ruhe!“ brüllte mit einem Mal eine andere Stimme aus der Ferne, ließ Höllschrei für einen Augenblick inne halten. Doch noch ehe er sehen konnte, aus welcher Richtung der Schrei kam, krachte bereits etwas voll in seine Seite und warf ihn seinerseits von den Beinen.
„Bist du in Ordnung?“ hörte Xelestra eine ihr vertraute Stimme über sich, blickte nach oben und erblickte, umgeben von einer blutroten Aura, Nikariu, die über sie gebeugt stand und einen besorgten Blick aufgelegt hatte.
Sie nickte langsam, zwang sich selbst, sich aufzurichten. „Du musst…weglaufen. Nimm Kared und Kweezil. Lauft…holt Hilfe. Ihr…..“
„ACHTUNG!“ brüllte die Pandarin mit einem Mal und unterbrach Xelestra mitten im Satz. Die beiden Tauren blickten in ihre Richtung, sahen nur den Finger, der zur Seite deutete. Dann krachte bereits die Faust Höllschreis gegen den Kopf von Nikariu, die von dem heftigen Schwung mit voller Wucht gegen die Wand geschleudert wurde. Langsamen Schrittes ging er auf die Paladina zu, die benommen an der Wand herab rutschte, sich die rechte Schulter hielt und nicht den Eindruck vermittelte, allzu rasch wieder weglaufen zu können.
„Nun gut, dann wirst du zuerst sterben – und dann deine Freundin.“ Knurrte Höllschrei, hob die Klinge weit über seinen Kopf. Doch noch ehe er zuschlagen konnte, traf etwas seine Axt und ließ sie im hohen Bogen quer durch den Raum, fliegen, ehe sie am anderen Ende mit Schwung in den Boden knallte. Dunkle, schwarze Wolken stiegen aus dem Boden auf, begannen den Raum langsam wie ein dichter Nebel zu füllen, während er zornig in die Augen der Todesritterin starrte, die auf ihrem rechten Bein balancierend hinter ihm stand. Wie sie es geschafft hatte, sich so schnell aufzurichten und trotz ihrer Verletzungen auch noch ihre mächtige Axt zu schwingen, verstand der Kriegshäuptling nicht. Es war ihm aber auch egal. Ohne einen Augenblick des Zögerns packte er in ihre Axt hinein, zog mit aller Kraft daran und trat gleichzeitig gegen ihre bereits schon arg lädierte Brust.
Sofort fiel Höllschrei auf, wie immens schwer diese Axt war. Dass sie die Klinge mit solcher Leichtigkeit schwingen konnte, war ihm ein Rätsel. Und es war auch unerheblich. Schließlich würde er nicht viel brauchen, um diese Ärgernisse aus der Welt zu schaffen.
Noch wärend Höllschrei mit den beiden Tauren beschäftigt war und seine Axt in den Boden eingedrungen war, hatten die übrigen Wachen bereits eingesehen, dass eine weitere Bewachung der Pandaren sinnlos war, hatten die Flucht durch das noch immer offene Portal nach Orgrimmar angetreten. Das wiederum hatte die junge Pandarin dazu genutzt, mit schnellen Schritten in Richtung der beiden anderen Fremden zu stürmen. Die widmeten sich in der Zwischenzeit den beiden verbliebenen Wachen, wobei auch diese bereits deutliche Kampfspuren aufwiesen.
„Schnell! Eure Freunde werden von Höllschrei hingerichtet!“ brüllte die junge Pandarin, lenkte damit die beiden Wachen kurz genug ab, damit sowohl Kared als auch Kweezil diese endlich zu Boden schicken konnten. Nach einem kurzen Augenblick des Durchatmens blickten sie einander an, starrten dann auf die noch immer offenen Türen, die mit einem Mal weiß zu leuchten begannen.
„SHA-FREISETZUNG FESTGESTELLT. NOTFALLEINDÄMMUNG AKTIVIERT“ hallte es lautstark durch den Raum, während die riesigen Türen sich wie von Geisterhand zu bewegen begannen.
„Los, Beeilung!“ brüllte Kweezil und schoss bereits im Laufschritt auf die sich schnell schließenden Türen zu. Im allerletzten Moment schaffte er es noch, sich durch die fast geschlossenen Torflügel hindurch zu quetschen, hörte dann das metallene Geräusch des Portals, das sich hinter ihm verriegelte. Kared und die Pandarin dagegen waren zu spät, standen auf der anderen Seite, hämmerten mit den Fäusten gegen die Außenseite des massiven Portals, ohne eine Möglichkeit, das Tor wieder zu öffnen.
Höllschrei hatte indes die massive Axt mit beiden Händen gepackt, sich der Paladina zugewandt, die noch immer benommen an die Wand gelehnt lag. Dann holte er aus und rammte die Axt mit einem Schwung voran, zielte dorthin, wo auch bei Tauren hoffentlich das Herz sein mochte.
„Nein….“ Ächzte eine Stimme direkt neben ihm, die mit der Bewegung der Axt rechts an ihm vorbei ebenfalls nach vorn stürzte und nur Augenblicke vor der Klinge die Brust der Paladina erreichte.
Xelestra hatte sich mit allerletzter Kraft nach vorn geworfen, spürte, wie ihre eigene Klinge sich nun in ihren Rücken bohrte und ihre Welt in Dunkelheit hüllte. Ihre blau schimmernden Augen verdrehten sich, als der kalte Stahl ihrer Axt durch ihren Leib schnitt.
Kweezil seinerseits sah dem Schauspiel entsetzt aus gut zehn Meter Entfernung zu, reagierte schnell und zog eine kleine Kugel aus seiner Gürteltasche, warf sie auf Höllschrei, der wieder tobte und versuchte, die Klinge wieder aus dem Leib der Todesritterin heraus zu ziehen. Die Kugel traf genau sein Gesicht, explodierte dort mit einem grellen Lichtblitz und blendete ihn effektiv. Dann stürmte der Goblin auf die beiden Tauren zu, rüttelte an beiden.
„Schnell, wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen hier weg!“ brüllte er beide an.
Nikariu blickte ihn noch immer leicht verwirrt an. Dann sah sie auf die Todesritterin direkt vor sich, deren Körper lebloser als je zuvor wirkte. Sie erschrak, schüttelte sich ihrerseits. Doch aus welchem Grund auch immer schien noch immer ein wenig Leben in der Todesritterin zu stecken – und sie flüsterte mit scheinbar letzter Kraft etwas in Nikarius Ohr.
„Rechte….Tasche….Kugel….zerbrechen…“
Nikariu blickte fragend drein, griff dann aber in Xelestras rechte Gürteltasche und brachte eine seltsam leuchtende Kugel hervor. Eine grünliche Flamme tanzte in der Mitte, strahlte eine seltsame Aura ab. Eine Aura, die ihr sehr bekannt vorkam.
Auch Kweezil hatte die Worte der Todesritterin gehört, sah die Paladina aber zögern, als sie die Kugel in Händen hielt, blickte über die Schulter und sah, wie Höllschrei die Nachwirkungen seiner Blitzbombe langsam abschüttelte. Nur noch wenige Augenblicke und sie alle drei wären ihm ausgeliefert.
Also packte er seinen Dolch und schwang ihn gegen die Kugel. „Wir haben Keine Zeit für Sentimenta….“ Begann er seinen Satz, der jäh unterbrochen wurde, als die Spitze seiner Klinge die Kugel traf und in Abermillionen Scherben zerplatzen ließ.
Die grüne Flamme züngelte einen kurzen Moment auf, ehe sie explosionsartig an Größe gewann und alle drei einhüllte. Schlagartig verzehrte sie die Flamme, hinterließ nur ein kleines Häufchen Asche, das langsam zu Boden rieselte.
Sie waren weg. Weg von diesem Ort, weg aus dieser Welt, weg aus dieser Dimension. Das dämonische Feuer, das in der Kugel gefangen gewesen war, hatte sie vollständig verschlungen…
…um sie an einen anderen, weit entfernten Ort zu schleudern.