Erneut umgab sie die altbekannte Schwärze. Doch diesmal war es nicht die Schwärze einer Ohnmacht oder gar der Bewusstlosigkeit. Es war die Schwärze des metallenen Kolosses, der schwer auf ihrem Körper lastete und sie war sich sicher gewesen, dass sie von der schieren Masse des Konstruktes entweder bei seiner Explosion ebenfalls in Stücke gerissen oder durch das Gewicht, das auf sie niederkrachte, zerschmettert würde. Zu ihrer Überraschung war keins von beidem geschehen. Dennoch drückten die Tonnen an Metall schwer auf ihren Körper, setzte das Gewicht ihr zu und ließ sie an den Rand der Bewusstlosigkeit driften. Dumpf hörte sie Kampfgeräusche, das Klirren von Waffen, die aufeinanderschlugen, Explosionen, Geschrei in den unterschiedlichsten Sprachen und Dialekten. Es hatte nicht viel gefehlt – vielleicht nur eine halbe Hand breit weniger Platz – und sie wäre von dem Ungetüm vollends zerquetscht worden, müsste sich nun keine Gedanken mehr über die brennenden Schmerzen, die selbst ihr, die sie diese doch eigentlich nicht spüren sollte, im gesamten Körper nur zu präsent erschienen. Und sie fühlte auch, wie ihr hier, in dieser Enge, langsam die Luft knapp würde. Einen Ausweg indes sah sie nicht – wenngleich dieser Riss, durch den ein einziger, dünner Lichtstrahl neben ihrem Kopf auf den rostbraunen Boden Durotars fiel, in den letzten Augenblicken vorkam, als würde er langsam an Größe zunehmen.
Das Ächzen von Metall, das unter schierer Kraftanstrengung verbogen und verwunden wurde, ließ ihre Zweifel indes verpuffen. Wie von Geisterhand hob sich das Monstrum über ihr erst einige Zentimeter, begann dann immer schneller nach oben zu schweben, ehe sie das weißbläuliche Leuchten erkannte, das die Überreste nun vollends einhüllte und dann, mit einem Ruck, in einen handlichen Metallball quetschte, der gleich darauf mit ansehnlichem Tempo zur Seite geworden wurde, als wäre es nur eine Fluse gewesen.
„Schwester!“ brüllte eine ihr nur zu bekannte Stimme – und noch ehe Xelestra die Chance blieb, sich aufzurichten, sah sie bereits das ihr vertraute Gesicht, wie es sich über sie beugte, ihre Arme ergriff und Hilfe anbot, damit sich die Todesritterin wieder aufrichten konnte. Die natürlichste Reaktion für jedes normale Wesen wäre wohl ein Lächeln, begleitet von einem dankenden Nicken gewesen. Doch Xelestra tat nichts von beidem, richtete sich stattdessen nur etwas auf und blickte sie dann mit kühler Miene an.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du so dumm bist, dich mit so einem Monstrum anzulegen.“ Schnaubte die Todesritterin, die helfenden Hände ihrer Schwester ignorierend, während sie sich erhob. Dann fühlte sie es: Ihre Brust und ihr Knie brannten wie Feuer, ließen sie für einen kurzen Augenblick in der Bewegung erstarren. Innerlich wusste sie nur zu gut, dass ihre Wunden weit davon entfernt waren, verheilt zu sein, ihr dieser Kampf etliche wieder hatte aufflammen lassen. Doch für Ruhe und Heilung war keine Zeit – nicht inmitten einer Schlacht, deren unvermeidliches Ende nur mit dem Ableben jenes Verräters, der nicht nur sie, sondern die gesamte Horde ins Verderben gestürzt hatte. Sie würde dann genügend Zeit haben, sich von ihren Verletzungen zu erholen.
Nikariu blickte betrübt zu ihrer Schwester. „Glaubst du ich lege die Hände in den Schoß und sehe zu, wie meine Kameraden und andere Krieger einfach so niedergemetzelt werden? Ich bin eine Sonnenläuferin!“
Kleine Flammen züngelten in den Augen der jungen Paladina. Xelestra erkannte das Feuer nur zu gut. Es war das selbe Feuer, das einst in ihr gebrannt hatte – das Feuer, das sie auf den Pfad des Verrats und der Verdammnis führte und sie zu dem gemacht hatte, der sie heute war. Es schmerzte in ihrer zerbrochenen Seele, so viel von sich selbst in ihrer kleinen Schwester zu sehen.
*PATSCH*
Aus einem Reflex, den weder Xelestra noch Nikariu so wirklich verstanden, hatte sich die flache, linke Hand der Todesritterin erhoben und ihrer Schwester so plötzlich und so überraschend eine derart schallende Ohrfeige verpasst, dass die junge Paladina Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Ungläubig hielt sie sich die Wange, starrte ihre Schwester verständnislos an.
„Wirf niemals dein Leben oder deine Zukunft weg. Ganz gleich aus welchen Gründen auch immer.“ Groll Xelestra dumpf, wandte sich von ihrer Schwester ab. Die wiederum blieb nur fassungslos an Ort und Stelle stehen, ohne die Hand von ihrer Wange zu nehmen oder auch nur eine einzige Silbe herausbringen zu können. Lediglich die Tränen, die ihre Augen zu füllen begannen, triumphierten über den sonst gänzlich starren Körper der Paladina.
Das Bewegen des Wracks war ein großer Kraftaufwand für Lor’themars Magier gewesen. Vol’Jin und Baine jedoch hatten darauf gedrängt, das Ungetüm unbedingt zu bewegen und die darunter eingeklemmten Kämpfer zu befreien. Auf den Protest hin, die Kor’kron würden den Augenblick nutzen und über die geschwächten Streitkräfte der Horde herfallen, hatten beide auf das Luftschiff der Allianz und die herannahende Streitmacht der Nachtelfen unter Tyrande Wisperwind gedeutet, die ihrerseits mit dem Erstürmen des Tors beschäftigt waren, die Wachen in unzählige kleinere Gefechte verwickelten.
„Wir müssen unbedingt das Tal der Stärke einnehmen! Garrosh wird sich zweifelsohne in seiner Festung verschanzt haben. Dort werden wir ihn stellen.“ Erklärte Baine den Schlachtplan.
„Ich bezweifle, dass er sich so einfach selbst in eine Falle begeben wird.“ Gab Sylvanas zu Bedenken. „Die Festung liegt mitten im Tal und ist von allen Seiten angreifbar. Wenn man sie nicht erstürmt, kann man ihn aushungern. Und es gäbe keine Fluchtmöglichkeit.“
„Welche Alternativen hätte er?“ fragte Lor’themar in die Runde.
„Flammenschlund.“ Unterbrach Vadarassar die Unterredung der Anführer der Horde. Die wandten sich verblüfft zu dem Orc um, musterten ihn mit abschätzenden Blicken.
„Die Hexenmeister haben früher bereits den Flammenschlund für ihre Zwecke genutzt. Seither war der Zugang von Höllschrei persönlich untersagt worden. Gut möglich, dass er sich dort häuslich eingerichtet hat.“
„Ein Loch im Boden? Ha, ja, das würde diesem Feigling gerade recht sehen.“ Schnaubte Baine. „Doch was ist mit der Festung im Tal?
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