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Das Abziehbildchen

Ich habe schon unter dem Punkt „Alleskönner“ beschrieben, dass der Hintergrund eines Charakters einen wesentlichen Anteil an der Charaktererschaffung spielt. Durch ihn definiert sich, woher der Charakter kommt, findet man Anker und Grund für dessen Existenz, kann man alle anderen Fähigkeiten, Charakterzüge und Eigenheiten ableiten.

Umso schlimmer ist es, wenn dieser Hintergrund einem flachen Klischee entspringt. Hier kann man DC als abschreckendes Beispiel nehmen. Beginnen wir mit folgender Frage: WELCHER Held aus den DC-Comics wurde denn NICHT durch den Tod von mindestens einem Familienmitglied zu dem getrieben, was er/sie ist?

Auch im Fantasybereich und bei etlichen Videospielen ist dieses Klischee „Motivation durch tote Eltern“ eine der billigsten Varianten überhaupt, um einen Charakter zu bauen bzw. dessen Hintergrundgeschichte zu erzählen. Auf meinem Rollenspielserver in Ultima Online war es gar ein verpöntes Klischee, etwas von „Meine Eltern wurden von Orks getötet. Jetzt bin ich wütend und bin aus Rache zu dem geworden, was ich bin“ in seiner Charaktergeschichte niederzuschreiben.

Ja, Hass mag ein gewisser Motivator sein. Doch er ist eben kein guter – und er verzerrt eher die tatsächlichen Charakterzüge einer Person. Mit Hass kann man viele Dinge entschuldigen und selbst die wirrsten Ausflüchte finden, so man denn will. Dabei ist Hass selbst nur ein Werkzeug – und noch dazu ein äußerst schlechtes – um ein Ziel zu erreichen. Es ist die Billig-Variante für einen Charakter.

Ängste, Sorgen, Träume, Wünsche, die Suche nach Inspiration, Antworten – daraus indes lassen sich gute Hintergrundgeschichten schreiben. Natürlich sind wir alle Menschen – und Menschen neigen dazu, das Schlechte zu überzeichnen und stets als Mahnung zu verstehen. Schlechte Dinge und Erlebnisse sind es, die uns zurückwerfen und in gewisser Weise formen, aber wie wir mit diesen Rückschlägen umgehen, wie wir aus dem Schmerz am Ende einen Gewinn schlagen, DAS sind Dinge, die nur durch die guten und positiven Eigenschaften hervortreten können. Ein Sturz allein macht noch keine Geschichte, es ist, wie wir mit dem Sturz umgehen, uns wieder aufrichten und beim nächsten Anlauf den Sturz umgehen, ihn vermeiden und stattdessen, zufrieden lachend, daran wachsen, was uns weiterbringt.

„Aus Niederlagen lernen“ gilt zwar als Sprichwort, aber das wirklich Lehrreiche ist nicht die Niederlage selbst, sondern der Umgang mit der Niederlage und der Konsequenz, die man aus der Niederlage zieht. Warum also erinnern wir uns an die Niederlage und überzeichnen sie so sehr, statt uns mehr auf die Motivation und die Lösung, die uns am Ende hat triumphieren lassen, zu konzentrieren?

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