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Neo Genesis International

Seit dem Jahr 2001 war die Züchtung, Herstellung und Vermarktung von Humanoiden mehr oder minder pauschal verboten. Lediglich Australien erlaubte noch eine äußerst geringe Menge (weniger als 30 pro Jahr) an Humanoiden, die in genau einem einzigen, offiziell lizensierten Labor erschaffen wurden, dabei aber zwingend steril sein mussten, so dass es zu keiner ungewollten Vermehrung kommen konnte, zum Zwecke der sozialen Forschung, während sich die meisten Humanoiden im Outback eine eigene Ansiedlung schufen, fernab von allen Menschen.

Die bis zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits existierenden Humanoiden, ihre relativ einmalige und auch auffällige Physiologie und in zumindest einigen Aspekten dem Menschen überlegenen Fähigkeiten (ein Humanoid, der mit den Genen eines Geparden gezüchtet worden war, würde einen Menschen in JEDEM Wettlauf um LÄNGEN schlagen. Und einer mit den Genen eines Löwen oder Tigers hatte schlicht mehr Muskelmasse, als Menschen mit noch so viel Anabolika jemals sinnvoll an sich heranzüchten können würde), wurden sie gerade für die äußerst solventen Sportclubs und deren zahlungskräftige Sponsoren äußerst interessant. Wer das Geld hatte, bestach also entweder die passenden Politiker, um eine Einzellizenz für einen Humanoiden für sein Team zu ergattern. Andere, mit weniger Geld und Einfluss, bemühten sich dagegen auf dem Schwarzmarkt, denn kleine Labore in Indien, Südamerika und China witterten ihre Chance, erwarben auf unlauterem Wege ebenfalls Lizenzen in ihrem Land, um Humanoide für „Testzwecke“ zu züchten, diese danach dann selbstverständlich offiziell nach Australien zu verschiffen, der wahre, endgültige Empfänger jedoch wurde entweder verschleiert, oder in vielen Fällen gar nicht erst nachgefragt.

Auf diese Weise etablierte es sich im Laufe der 2010er-Jahre, dass hier und da einige Sportteams, Rennställe oder internationale Sportwettbewerbe ebenfalls die Präsenz von Humanoiden sahen, die unter strengen Auflagen ebenfalls an der Seite und gegen menschliche Mitstreiter antreten durften. Um eine gewisse Fairness zu gewährleisten, erarbeiteten die Sportverbände detaillierte Handicap-Methodiken, die sowohl bei Fans wie auch Teams bis zum heutigen Tage höchst umstritten sind.

In der Welle der Akzeptanz, die sich aufgrund ihrer ständigen Präsenz im Fernsehen und den übrigen Medien (wobei die Artikel und Reportagen selten freundlich oder zumindest neutral über die Humanoiden berichteten) tauchte irgendwann die Neo Genesis International auf der Bildfläche auf. Binnen weniger Wochen füllten sich, von jener Firma getrieben, Anzeigen von „Humanoide nach Maß“ in Zeitungen, Onlineblogs, den sozialen Medien und auf Werbetafeln.

Wer sich hinter dieser Neo Genesis International verbarg bzw. verbirgt, ist bis zum heutigen Tage nicht geklärt. Lediglich, dass der Hauptsitz dieser Firma in Osaka, Japan beheimatet zu sein scheint, mit Büros in zahllosen anderen Ländern der Welt. Doch selbst eine eingehende Untersuchung durch die UNO brachte die wahren Geldgeber hinter diesem Namen nicht zum Vorschein, wohl aber einen äußerst charismatischen, sehr schick gekleideten und in zehn Sprachen flüssig sprechenden, eurasischen Luchs-Humanoiden, der im Jahre 2015 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen ein flammendes Plädoyer für die Freiheit seiner Art und gleichzeitige Akzeptanz gegenüber den Menschen hielt. Seine Idee dabei: Jedem Menschen, der wollte, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, selbst einen Humanoiden nach Wunsch, eigenen Spezifikationen und Präferenzen in einem der lizensierten Labors entstehen zu lassen – ähnlich wie ein menschliches Kind, nur, dass dieser Humanoide nahezu beliebig jung oder alt gewachsen übergeben werden können sollte. Auf die Frage, wie denn die Sicherheit gewährleistet werden sollte und Einwendungen, dies würde die Population außer Kontrolle bringen, wies er auf ein Armband an seinem Handgelenk hin.

Ein simples, dünnes, metallenes Band, kaum dicker als ein Blatt Papier, einem großen, runden Display, darüber und darunter jeweils einem weiteren, kleinen, runden Display, nannte er schlicht das „HIVE“ – Humanoid Identification and Vital Monitor Equipment. Ein Armband, mit dem der Humanoid nicht nur durch jeden – sogar einfache Passanten – identifizierbar, dem Eigentümer zugeordnet, von diesem weltweit jederzeit lokalisiert und notfalls, mittels entsprechender Kontakte an der Unterseite, von einer Sekunde zur anderen, betäubt und damit problemlos wieder einfangbar gemacht wurde. Besser noch: Das Armband war, einmal angelegt, nicht mehr abnehmbar, versorgte sich über die normalen, bioelektrischen Ströme des Körpers selbst mit Energie und besaß eine integrierte Breitbandschnittstelle, die dank weltweiter Abdeckung sowie Nahbereichsfunk für den Eigentümer jederzeit erreichbar war.

Das Plädoyer des Luchses hatte keinen unmittelbaren Effekt, wohl aber den, die Problematik um die Humanoiden in etlichen Ländern wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Danach dauerte es allerdings noch fast zwei Jahre, ehe zum Ende des Jahres 2017 die bedingte Zulassung der ersten Gen-Labore, in denen Humanoide unter strengen Auflagen und im begründeten Einzelfall, durch die Neo Genesis International verwaltet, von interessierten Menschen in Auftrag gegeben und gezüchtet worden waren.

Zwar hielt sich das anfängliche Interesse und damit auch die Nachfrage nach Humanoiden in den Folgejahren in engen Grenzen, doch ab dem Jahre 2020 erlebten die Labors einen kleinen Boom, wodurch die jährlichen Zuwachszahlen der Population weltweit mit einer niedrigen, fünfstelligen Summe zu beziffern waren.

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