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Abschnitt 1 – Die Erschaffung

Die Hintergründe hinter IN2-T1752-G17S-F

Seltsamer Name, hm? Liegt wahrscheinlich daran, weil eben jene Dame kein natürlich geborenes Wesen mit einer Mutter und einem Vater ist, sondern eine Tankzüchtung. Wie viele tausende „Artgenossen“ (die allerdings nicht zwingend so aussehen müssen wie sie. Allein die Herkunft bzw. Methode, wie sie erschaffen wurden, eint sie) entstand sie in der Boom-Zeit der genetischen Experimente, in denen gewissenlose Forscher die DNS von Menschen mit Tieren kombinierten und in der Form manipulierten, um spezialisierte Wesen für gewisse Einsatzzwecke zu erschaffen: Soldaten, die einen stärkeren Kampfeswillen, höhere Ausdauer und bessere Reflexe besitzen, menschenkompatible Organspender, die immun gegen bestimmte Krankheiten oder gar Krebs sind – solche Experimente eben.

Glücklicherweise wurde die Weltengemeinschaft irgendwann auf diese Experimente aufmerksam – und Proteste wurden ob dieser Manipulationen, die ein Frevel gegen Gott, gegen die Menschlichkeit und derlei darstellten. Auf die Proteste folgten Sanktionen, auf Sanktionen folgten dann internationale Verbote gegen derartige Programme und somit auch das Ende dieser Experimente. Doch die „Produkte“ dieser Experimente waren da, lebten und besaßen durchaus ebenfalls Intelligenz, waren Lebewesen – nur eben solche, die künstlich durch Menschen erschaffen worden waren. Wie man nun mit diesen umzugehen hatte, unterschied sich von Land zu Land. Und Menschen, wie sie nun einmal sind, agieren auch nicht unbedingt offenherzig gegenüber diesen neuen, fremden Wesen.

Doch zurück zu IN2-T1752-G17S-F. Der Name ist so gesehen die genaueste Beschreibung, wer und was sie ist: IN2 steht hierbei für ihren Ursprung – das Gen-Forschungslabor 2 in der Nähe von Delhi, Indien. T1752 deutet an, dass sie eine Variante eines Tigers ist – und Exemplar 1752 dieser Gen-Variante, wobei mit G17S angedeutet wird, dass es sich um die 17. Iteration der Genomsumwandlung handelt, bei der der Fokus auf Stärke liegen sollte. Das F schließlich gibt noch das Geschlecht „Female“, also weiblich, an. In Summe also: Die 1.752. Tigerdame 17. Iteration mit Fokus auf Stärke aus dem zweiten indischen Gen-Versuchslabor.

Ihr Erschaffungsprozess und damit auch die „Geburt“ in gewisser Weise begann am 3. Januar 2001 in einem von fünfzig Zuchttanks der Forschungseinrichtung. Wie bei allen derartigen Versuchen schafften es nur wenige Exemplare überhaupt, die ersten Tage zu überleben und zu echten, lebensfähigen Körpern heran zu wachsen. Zwar hatte man seit 1996 schon einiges an Erfahrungen sammeln können, doch jede Genmanipulation, jedes Tuning war noch immer Neuland. Immerhin hatte man geschafft, das Wachstum in den Tanks so weit künstlich zu beschleunigen, dass nach nur 8 Wochen ein Wesen im Alter eines Teenagers aus dem Tank geholt und dann zur entsprechenden „Weiterverarbeitung“ abgegeben werden konnte.

Diesmal jedoch sollte es nicht dazu kommen. Bereits am 14. Januar erging das Edikt, dass die Forschungsanlage geschlossen, alle Experimente abzubrechen seien. Die Entscheidung war absolut und indiskutabel, bedeutete aber auch das Todesurteil der zehn verbleibenden Wesen, die man aufgrund ihrer menschenartigen Erscheinungart nur „Humanoide“ nannte. Die Vorgehensweise und die Vorschriften waren klar: Abschalten aller lebenserhaltenden Systeme. Die jungen Körper – in diesem frühen Stadium entsprachen sie etwa einem drei- bis vierjährigen Kleinkind – sackten, abhängig von den lebensspendenden Maschinen, leblos in den Zuchtzylindern in sich zusammen. Die Forscher waren schon auf dem Weg raus aus der Anlage, als sie vehementes, dumpfes Hämmern vernahmen. Einer von ihnen ging dem Geräusch nach, lief an den Tanks entlang und sah eines der Exemplare, ein wenig größer als die anderen und noch überaus lebendig, in der Nährlösung strampelnd und mit den Händen gegen die Außenwand schlagend. Warum es noch lebte, konnte er sich nicht vorstellen. Möglicherweise war das Genom derart stabil und robust, dass es trotz des jungen Alters nicht wie die anderen zerfiel. Herausfinden würde er es aber nicht mehr können.

Das Hämmern an die Wand wurde energischer, aber schwächer. Lange würde es nicht überleben, so ohne Luft, ohne Hilfe. Es verstieß gegen die Regularien, gegen alle Vorschriften, aber jenes Wesen vor seinen Augen um sein Leben kämpfen zu sehen bewegte etwas im kalten Forscherherz, ließ ihn den Hebel für die Notentlüftung des Tanks umlegen, woraufhin der recht kleine, junge Körper mitsamt der Nährlösung aus dem sich öffnenden Spalt heraus gespült und auf den Boden geworfen wurde, Flüssigkeit aushustend, ehe die Lungen krächzend den ersten Atemzug echter Luft einsogen.

„Was hast du gemacht?!“ fragte einer der Forscherkollegen entsetzt, als er den kleinen Tiger-Mensch-Hybriden am Boden liegen sah. „Das wird Ärger geben, wenn die das bemerken.“

„WENN sie es herausfinden. Die Anlage wird doch eh stillgelegt. Denkst du die gehen alle Tanks und Dokumentationen so schnell durch?“ fragte der erste Forscher seinen Kollegen, einen Kittel greifend, um damit das kindliche Geschöpf einzuwickeln. Für einen Augenblick hatte er Sorge, dass der plötzliche Schock, aus der wärmenden Nährlösung an die Luft zu kommen, den kleinen Körper umgebracht hatte, doch in Wahrheit lag er nur deswegen so reglos am Boden, weil die Anstrengung, sich gegen den nahen Tod mit aller Kraft zu wehren, ihn gänzlich ausgelaugt hatte. Schlaf war, wenn man es genau nahm, im Moment das Beste, was geschehen konnte.

„Und was willst du jetzt mit dem Ding machen?“

„Ich kenne ein Waisenhaus in einem Dorf hier in der Nähe. Die werden sie schon aufnehmen.“

„Sie? Nur weil das Ding ein weibliches Genom hat, ist es noch keine Person. Also…“

„Sie hat um ihr Leben gekämpft. Sie verdient eine Chance, zu leben. Denkst du nicht?“

Sein Kollege stimmte ihm schließlich, nach langer Überlegung, zu. Dann verließen sie zu dritt das Labor, stiegen gemeinsam in einen Wagen und machten sich auf den Weg zu jenem Waisenhaus.

„Die werden fragen, wie die Kleine heißt.“

„Samira.“

„Wieso Samira?“

„Du erinnerst dich an die Kollegin letztes Jahr? Die bei einer Explosion ums Leben gekommen ist. Das war ihr Vorname.“

Und so begann das Leben einer kleinen Humanoiden namens Samira.

Published inSamiras Hintergrundgeschichte

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