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Kategorie: Frostfeuer

Kapitel 4 – Wieder einmal Orgrimmar

Als sie zum ersten Mal durch Orgrimmar gelaufen war, hatte sie diese Stadt der Orcs und sonstigem Gesindel, das von der ‚Horde‘ angelockt worden war, bereits als wildes, ungeordnetes Nest von Widersprüchen empfunden. Jetzt jedoch, da sie nach dieser langen Zeit wieder durch die Stadt schritt und von Wachen zum Tal der Ehre eskortiert wurde, empfand sie dieses Nest eher als eine Art feindselige Bestie. Die einstmals natürlichen Verläufe der Täler, in die sich die einzelnen Häuser einbetteten, waren schwere Panzerplatten integriert worden, hatte man Wachtürme mitsamt hochgerüsteten Wachen platziert, lagen schwere Metallplatten am Boden, waren Fels und Erde der massiven Verstärkung durch allerlei Stacheln und Metallkonstrukte gewichen. Mit Grauen dachte sie an die Schlachten, die hier wohl an jedem der Zwischentore stattfinden müssten, wenn die Stadt irgendwann einmal wirklich belagert werden sollte und die Belagerer es irgendwie schaffen sollten, diese nahezu unüberwindbaren Tore aufzustemmen.
Ein ähnliches Grauen ging durch die Gesichter der Geschäftsleute und ihrer Kunden, für die es zwar Routine zu sein schien, dass Wachen und hoch gerüstete Soldaten durch die Gassen marschierten, es jedoch immer noch ein äußerst seltener Anblick war, wenn eine Taurin, die ihre Wachen bei weitem überragte und zudem bis auf ihre dünne Leinenkleidung gänzlich unbekleidet war, durch die Stadt eskortiert wurde, während die Wachen ihre Waffen zum Zuschlagen bereit hielten. Amüsant waren dagegen die drei Peons, die der Gruppe folgten und Rüstung sowie Waffe der Taurin hinterher schleppten. Gerade ihre Axt schien ein derartiges Gewicht zu besitzen, dass die Peons zu zweit daran trugen und trotz alledem heftig stöhnten, während die Gruppe geschlossen durch den Tunnel in Richtung Tal der Ehre schritt.
Mit jedem Schritt, den Xelestra auf den Metallplatten tat, hallten das Kratzen und Schlagen ihrer Klaueneisen wider, ließen sie ein Dröhnen wie von einer uralten Bestie durch den engen Tunnel hindurch fegen und die Wachen auf die Zähne beißen. Für einen kurzen Augenblick schien ihnen die Idee gemein, der Taurin einfach ihre Hufe abzuschlagen und dem infernalen Lärm damit ein Ende zu setzen. Doch gleich mehrere Gründe sprachen gegen diese Idee, weshalb sie ebenso schnell wieder aus den Köpfen verschwand, wie sie aufgetaucht war.
Dann endlich öffnete sich das Tal vor ihnen, durchströmt von frischem Wasser, an dem sich etliche Peons und müde Besucher niedergelassen hatten und ihre Angelruten hinein hängen ließen, während in der Ferne das stete, metallene Hämmern der Schmiede und das Klirren von Waffen auf den Übungsplätzen überdeutlich machte, dass selbst dieser Ort der relativen Ruhe noch immer einen kriegerischen Ort darstellte. Aber noch bevor sie die Atmosphäre vollends in sich aufnehmen konnte, wurde sie grob vorwärts über eine kleine Brücke geschoben, hinter der sich eine Gruppe Magier versammelt hatte und schon auf die kleine Gruppe wartete. Zu ihrer Überraschung standen zwischen den Magiern außerdem noch etliche Pandaren, die nicht einmal ansatzweise Ähnlichkeiten mit einem Magier hatten. Allerdings war sie nicht überrascht, diese für viele relativ fremden Wesen hier zu sehen, sondern eher über die Tatsache, dass sich eine Gruppe von nicht weniger als sieben jener hier in Kalimdor doch recht fremden Gesellen gar überhaupt nicht um das Geschehen, die Magier und den Trubel, der mit der Todesritterin und ihren Wachen, die sie genau im Auge behielten, zu scheren schienen.
Ächzend kamen auch die Peons zum Stehen, die einige Meter hinter der Gruppe die Rüstung und Waffe der Todesritterin geschleppt hatten, ließen ihre Last mit einem lauten Krachen zu Boden scheppern. Schnaubend drehte sich Xelestra zu dem Peon um, der ihre Rüstung mit Wucht auf den Boden hatte klatschen lassen, starrte ihn eiskalt an, hätte ihn in diesem Moment am Liebsten in der Luft zerfetzt, wären die Wachen nicht gewesen, die ihr prompt ihre Äxte dicht an den Körper hielten. Also beließ sie es nur bei einem tiefen, sonoren Knurren.
„Umziehen!“ schnaubte eine der Wachen, schwang die Axt und schlug mit der flachen Seite auf ihre Hüfte.
Erneut starrte Xelestra böse, diesmal jedoch auf die Wache. Ihre Hände zuckten. „Hier?“
Um sie herum begannen die Wachen breit zu grinsen, bestärkten die Frage mit einem kräftigen Nicken. „Beeil dich besser. Sonst darfst du so nackt kämpfen, wie du aktuell bist.“
Schnaubend trat Xelestra zu dem Haufen vor, in den sich ihre Rüstung verwandelt hatte, begann die Einzelteile daraus hervor zu suchen und überzustreifen. Ein Unterfangen, das ohne jede Hilfe, im Stehen und dazu noch in aller Öffentlichkeit nicht nur entwürdigend, sondern dazu noch äußerst schwierig war. Nur mit Mühe gelang es ihr die mit fein verflochtenen Ringen verstärkte, aus dunklem Leder gefertigte Hose zu entknoten und überzustreifen. Noch schwieriger waren die Verschlusshaken ihrer Brustplatte, erforderte doch jeder der Verschlüsse ausgesprochenes Fingerspitzengefühl. Ein Grund, warum sie ihre Rüstung in Nordend nur an sehr besonderen Gelegenheiten überhaupt abgelegt hatte.
Als sie nach mehr als einer Viertelstunde schließlich ihre Handschuhe überstreifte, wandte sie sich zu den beiden Peons um, die noch immer ihre Waffe in Händen hielten. Ihre Köpfe waren vor Anstrengung bereits rot angelaufen, während sie laut keuchten und pusteten. Den kalten Blick nicht von den Peons nehmend griff sie mit einer Hand nach der Axt, hob sie locker in die Höhe und führte die Klinge eng an ihr Gesicht.
Kalter, blauer Stahl, auf dem unzählige hellbläuliche Runen eingearbeitet waren, die nun, da sie ihre Waffe wieder in Händen hielt, ein schwaches Leuchten emittierten. Für einen kurzen Augenblick hatte man den Verdacht, die Todesritterin und ihre Waffe hätten Sehnsucht füreinander gehabt und beide wären im Zwiegespräch versunken. Doch noch ehe sich eine der Wachen zu einem Kommentar hinreißen konnte, schwang sie ihre Waffe geschickt mit einer Hand, wirbelte sie einige Male locker im Handgelenk, durchschnitt mit einem Surren die Luft um sie herum und ließ die Waffe schließlich in den Schnallen an der Rückseite ihrer Brustplatte einhaken, während die beiden Peons sie ob dieser Leichtigkeit, mit der sie diese über einen Zentner schwere Waffe führte, nur wortlos anzustarren in der Lage waren.
„Magier! Los jetzt – macht euch an die Arbeit!“

Pech. Wie konnte er nur so viel Pech haben und die Todesritterin begleiten müssen? Natürlich hätte er sich ja weigern können – doch das wäre einem unmittelbaren Todesurteil gleich gekommen. So hatte er wenigstens noch die Möglichkeit, ihr gegenüber seine tatsächliche Loyalität unter Beweis zu stellen. Das die vor allem seinen Ersparnissen gehörte, war klar und sollte ihr durchaus ebenfalls bewusst sein. Jedoch schien es als würde sie sich nicht sonderlich viel aus Vermögenswerten machen.
Mit einiger Verspätung traf er im Tal der Ehre ein, hörte dafür das Grölen der Stadtwachen, die sich lauthals über die Todesritterin unterhielten, die fast unmittelbar vor dem Auktionshaus und ohne jeden Sichtschutz ihre Kleidung wechseln musste und dann als Kanonenfutter zu Höllschrei und seinen anderen Soldaten nach Pandaria geschickt werden sollte.
Pandaria. Kweezil hatte von diesem Ort, der vor etwa einem halben Jahr aus den Nebeln aufgetaucht war, gehört. Allerdings waren die Dinge, die er gehört hatte, keineswegs angenehm. Im Gegenteil: Sein letztes Luftschiff war angeblich nur kurz nach dessen Übergabe genau dort abgeschossen worden. Und das angeblich auch noch von stinknormalen Schiffen und Jägern!
Natürlich hatte er stets darauf beharrt, dass die Panzerung den Vorgaben entsprochen hatte, die Kanonen vorbildliche Waffenwirkung besaßen und in den Händen von fähigen Besatzungsmitgliedern nichts in der Lage wäre, eines seiner Luftschiffe vom Himmel zu holen. Leider aber, das musste Kweezil schmerzlich feststellen, war das Ruder vor allem anderen Orcs überlassen worden – und das vornehmlich solchen, die wenig bis gar keine Erfahrung in Sachen Kampftaktik besaßen. Wie konnte man auch von jemandem, der lieber mit einer Axt bewaffnet und laut brüllend auf eine Front Feinde zustürmte – Pfeilhagel, Kanonenschüssen, Gräben, Fallen und gegnerischen Lanzenträgern zum Trotz – auch nur ein Phi von Kampftaktik zutrauen, die komplizierter war, als eine Axt senkrecht in etwas Weiches zu hauen? Und ja, auch das war irgendwie natürlich IHM zur Last gelegt worden…
Aber egal jetzt – er musste sich nun also als Bewacher dieser Todesritterin irgendwie geschickt genug anstellen, damit sie ihn nicht in mehrere Scheiben schnitt, während er dabei doch irgendwie den Auftrag als Aufpasser wahrnahm. Das er ihr dabei gerade mal bis knapp unter ihre Hüfte reichte, war nicht unbedingt hilfreich, sollte es zu einem Kampf zwischen den beiden kommen. Und wenn es eines war, dessen er sich sicher sein konnte, dann dass es dazu kommen würde, sobald die Zahl der Wachen um sie herum gering genug war, als dass sie es auf den Versuch ankommen lassen würde.
„Du bist spät, Goblin.“ Knurrte ihn eine der Wachen an, als er nah genug an die seltsame Gruppe heran getreten war, die sich nun vor den drei Magiern aufbauten, während diese den Portalzauber zu wirken begannen.
Magierportale. Kweezil mochte sie nicht sonderlich. Zum einen wusste man nie wirklich sicher, ob man in einem Stück auf der anderen Seite des Portals ankam, wo diese andere Seite genau sein würde und ob sich während des Durchschreitens nicht irgendwelche Dinge an seiner Ausrüstung oder seinem Geldbeutel veränderten, zum anderen waren Magierportale schlecht für sein Geschäft. Wo kam man schließlich hin, wenn man Soldaten, Ausrüstung, Waffen und derlei einfach so von A nach B zaubern konnte und damit nicht mehr auf Transportzeppelline, Schiffe und Raketen angewiesen war? Würde irgendein findiger Zauberer einmal eine Möglichkeit finden, diese Portale berechenbar zu machen, wäre das sicher das Ende des Transportgeschäfts und somit sein Ruin. Also…mehr noch als im Moment jedenfalls.

Xelestra teilte die Abneigung von Magierportalen. Allerdings nicht, weil sie den drohenden Verlust von Arbeit und Kapital fürchtete, sondern weil jene Portale eine derart reine Magie abstrahlten, dass es ihr in ihrem Innersten ein wahres Feuerwerk von Energien entfachte. Die unheiligen Kräfte, die sie dereinst erhalten hatte, sträubten sich derart heftig gegen jede Form der Magie wie eine Katze vor Wasser, ließen ihr gesamtes Fell und ihre Mähne sich sträuben, während sich ihr Magen zuschnürte und ihr Übelkeit die Kehle empor kroch. Grünliches Leuchten begann von den Runen ihrer Rüstung und Waffe aus zu gehen und sie einzuhüllen – ein Schutzreflex, der die magischen Energien absorbierte und ihr die Qualen damit erträglicher machte, während die Magier ihre Energien kanalisierten. Dann öffnete sich ein Spalt, gab den Blick auf ein fremdes Land frei, in dem dunkle Bäume und halbfertige Hordenbauten zu sehen waren.
„Das Portal ist bereit. Beeilt euch, es wird nicht ewig offen bleiben.“ Erklärte einer der Magier, deutete auf die Wachen. Die machten allerdings keine Anstalten, sich in Richtung Portal auf zu machen. Stattdessen stießen sie die Todesritterin voran und deuteten auch Kweezil, sich auf den Weg zu machen.
„Was? Wir…ähh…gehen allein?“
„Ihr werdet erwartet. Los, bewegt euch!“ schnaubte die Wache, verpasste Kweezil einen kräftigen Tritt, der ihn schnurstracks durch das Portal beförderte. Dann blickte er zur Todesritterin, die ihn schlagartig mit eiskaltem Blick anstarrte.
„Wage es und ich reiße dir das Bein ab.“ Knurrte sie, tief in sich dennoch hoffend, dass diese Wache den Versuch unternahm, sie zu treten. Nur zu gern hätte sie ihm das Bein mit einem kräftigen Griff aus der Hüfte gerissen und ihn sowie die anderen Wachen damit zusammen geschlagen. Doch statt dem erhofften Tritt spürte sie nur die Klingen von sechs Äxten, die ihr entgegen gestreckt wurden und die Richtung deuteten: Ins Portal.
Das unangenehme Gefühl der heftigen magischen Kräfte nun trotz ihrer Schutzzauber deutlich spürend schritt sie auf das Portal zu, als eine der Magerinnen sich neben sie stellte. Die Orcmagierin wirkte überraschend jung, blickte sie aus fast schwarzen Augen unter ihrem spitzen Hut an und legte der Todesritterin eine Hand auf die Schulter.
„Gute Reise, Xelestra.“ Flüsterte sie, schob der Todesritterin mit der anderen Hand einen kleinen Gegenstand zu und wandte sich ab, ehe die verdutzt wirkende Taurin etwas sagen konnte. Dann aber schritt sie bereits durch das Portal, spürte die intensiven Kräfte der arkanen Ströme, die sie von einem Ort Azeroths zum anderen rissen.

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Kapitel 3 – Eine alte Schuld

Nur langsam kehrten ihre Sinne wieder zu ihr zurück. Allen voran ihr Geruchsinn, der ihr den modrigen, fauligen Geruch des Kerkers, in den man sie geworfen hatte, überdeutlich präsent machte. Wäre sie eine andere gewesen, der Gestank aus einer Mischung von Fäkalien, faulen Blutes, alten Fleisches und Überresten verschiedener Lebewesen hätte ihr vermutlich den Magen herum gedreht und die Mischung der Gerüchte noch weiter ergänzt. So jedoch nahm sie es nur mit einem verzerrten Gesichtsausdruck zur Kenntnis, der dem weichen, unangenehmen Gefühl in ihrer Brust- und Bauchgegend geschuldet war – offensichtlich hatten die Wachen dahingehend ‚Spass‘ mit ihr gehabt, dass sie ihr einige Rippen gebrochen hatten, ehe man sie hier in das Gefängnis geworfen hatte. 
Nicht die ersten Blessuren, die sich im Leben zugezogen hatte. Und wie alle anderen davor, würden auch diese schnell wieder verheilen – dank der Selbstheilungskräfte, die man als Todesritter besaß, sogar innerhalb weniger Stunden bis Tage – womit lediglich eine recht grimmige Grundeinstellung ihrerseits blieb. Diese Stimmung wurde noch ein wenig grimmiger, als sie die metallenen Fesseln an ihren Armen und Beinen bemerkte, die in dicke Ketten in Wand und Boden mündeten und so ihren Bewegungsfreiraum eingrenzen sollten. Leave a Comment

Kapitel 2 – Der geldgeile Goblin

Schon immer hatte Kweezil ein glückliches Händchen bei zahllosen Unternehmungen bewiesen. Es war sein Gefühl, das ihm geraten hatte seine Anteile an der Kaja Cola-Zentralfabrik an ihrem Höchstpunkt zu Leave a Comment

Kapitel 1 – Die „Akquise“ einer Todesritterin

Eine bedrückende, fast schon beängstigende Stille lag über der Kriegshymnenfestung tief im Norden von Azeroth. Hier, in der Boreanischen Tundra, war sie vor einigen Jahren noch wie ein Fremdkörper inmitten der Ödnis aufgebaut worden, um den Elementen und den Nerubern, die in ihren Höhlen darunter lauerten, zu trotzen. Doch mit den Jahren kam der Verfall und der Frost sowie das raue Wetter taten ihr Übriges, um die einst gewaltige Festung nun so zu formen, wie das Land in Jahrtausenden durch Wind und Wetter seine Form erhalten hatte.
Die Orcs im Inneren verrichteten immer noch ihren Dienst, trieben die Gobllinarbeiter an, Reparaturen an den wichtigsten Stellen durchzuführen und die Festung „bereit“ zu halten. Bereit wofür wusste zwar niemand, doch man erwartete stets ein Wiedererwachen der untoten Diener des Lich-Königs, der vor Jahren auf der Spitze seiner Zitadelle geschlagen und besiegt worden war. Jene Helden, die bei dem Ende des dunklen Königs anwesend waren, verkündeten eine neue Gewalt, die die Geißel im Zaun halten sollte, obwohl die Ghuls, Skelette, Neruber, Vrykul und anderes Gezücht zweifelsohne weiterhin über Nordend fegen und das Land in Tod und Chaos stürzen wollen würden. Tatsächlich brandeten kurz nach dem Sieg über den Lich-König vereinzelte Angriffswellen der Geißel über die Festungen der Horde – und auch die Vorposten der Allianz, so berichteten Späher, waren Ziel der Angriffe gewesen. Aber ihre Schlagkraft war weit geringer, als man hätte denken können. Und ihre Zahl nahm mit den ins Land ziehenden Monden immer mehr ab, bis sie vor etwa zwei Jahren gänzlich versiegte. 
Dann ging Aufruhr durch die Festung. Nicht etwa wegen eines bevorstehenden Angriffs, sondern weil am Horizont die unverkennbare Silhouette eines goblinischen Zeppelins auftauchte. Ein Versorgungsschiff, wie es mittlerweile nur noch alle paar Monde kam. Und dennoch konnte an Bord jenes Versorgungsschiffes auch ein großer Held der Horde, ein ranghoher Offizier oder gar der Kriegshäuptling selbst sein, der sich gegen den komfortablen und direkten Weg mittels Magierportal entschieden und den langen, beschwerlichen Weg mittels Heliumbombe gewählt haben mochte, um eine Überraschungsinspektion zu veranstalten.
So schnell die Peons angetrieben werden konnten sausten Füße durch die Festung, richteten Hordebanner zurecht, wischten über den mit Schmutz verschmierten Boden, räumten die Flaschen billigen Fusels beiseite und legten die Bücher eindeutigen Inhalts in nicht einsehbare Nischen. Gerade noch rechtzeitig zog der Interimskommandant Mugalok den Bauch ein, schob seinen Gürtel in die richtige Position und stellte sich an die Andockplattform, um den möglicherweise wichtigen Gast begrüßen zu dürfen.
Ein Goblin grinste ihn von knapp oberhalb seiner Kniescheibe an. Die feine Lederrüstung, die er trug, war für die in Nordend herrschende Witterung dank ihres dicken Futters genau das Richtige, wirkte aber dennoch so teuer, als könnte man für ihren Gegenwert drei dieser Festungen, in der sie gerade standen, kaufen. Inklusive des nötigen Personals versteht sich. Unverkennbar waren auch die beiden goldenen Schneidezähne des Goblins, die Mugalok anstrahlten. 
„Willkommen in der Kriegshymenfestung in der Boreanischen Tundra. Was verschafft uns die Ehre eures Besuchs?“ spulte Mugalok die eintrainierte Begrüßung ab. Einen Goblin auf diese Art zu begrüßen, war ihm alles andere als angenehm, doch wer weiss – vielleicht war genau das der Trick des Kriegshäuptling, um seine Aufrichtigkeit zu testen. Also verzog er keine Miene und blickte respektvoll auf den kleinen Besucher hinab.
„Ahh, ja, danke. Wie ich sehe genauso heruntergekommen, wie mir meine Kontakte berichtet haben. Nun egal, ich bin auf der Suche nach jemanden und hoffe, dass ihr mir dabei helfen könnt.“ Begann der Goblin, seine Schritte mit wissendem Blick um sich herum die Treppen hinab und in die Festung leitend.
„Wenn ihr eine Erfrischung sucht, so werdet ihr in der unteren Ebene bei unserem Gastwirt sicher fü…“ fuhr Mugalok mit seinen Standardtexten fort. Doch der Goblin unterbrach ihn unmittelbar.
„Es geht mir nicht um euren Fusel. Das Zeug bekommt eh keiner mit mehr als drei Hirnzellen runter, ohne bleibende Schäden davon zu tragen. Ich suche eine bestimmte Taurin.“
Mugalok stockte. „Wir haben einige Gäste unten. Tauren und Taunka. Vielleicht findet ihr bei diesen…“
„Unwahrscheinlich. Es sei denn eine dieser Damen ist zufälligerweise eine Todesritterin.“
Die Augen von Mugalok weiteten sich. Todesritter, die Elite der Geißel. Einige von ihnen hatten die Treue des Lich-Königs verlassen und sich der Horde und der Allianz angeschlossen. Jene Todesritter, auch bekannt als die „Ritter der schwarzen Klinge“, waren essentieller Bestandteil der Front gegen die Geißel und hatten einen wichtigen Anteil am Sieg gegen Arthas gehabt. Gerüchten zufolge soll es gar eben so eine Taurin gewesen sein, wie dieser Goblinbesucher gerade beschrieb, die dem Lich-König zusammen mit dem Paladin Tirion Fordring den Todesstoß verpasst und die übrigen Streiter damit gerettet hatte. Aber nach dem Ende des Lich-Königs waren Ritter der schwarzen Klinge in alle Himmelsrichtungen verstreut worden, hatten die kalten Weiten Eiskrones verlassen, um ihr Schicksal zu suchen und neue Aufgaben zu finden. Mugalok selbst hatte überhaupt nur einmal einen Todesritter gesehen – einen Troll, um genau zu sein – und dessen Anwesenheit bis tief in seine Knochen gespürt. So intensiv war die Kälte gewesen, die von jenem schlaksig-dürren Wesen ausging.
„Es tut mir leid, aber so jemanden werdet ihr hier nicht mehr finden. Und die Attacken der Geißel sind seit über zwei Jahren verebbt. Anhänger der Geißel findet ihr sicher nur noch tief in Eiskrone.“
Der Goblin nickte zufrieden ob dieser Information. „Eiskrone also. Nun gut, dann werde ich mich einmal in dieser Gegend umsehen. Vielen Dank Dicker. Bis später dann.“ Tönte der Goblin, pfiff einmal schrill durch seine Finger und blickte in Richtung des Zeppelins. Dieser begann schlagartig zu Zucken und sich zu schütteln. Dann brach ein anderer Goblin auf einer riesigen, rundlichen und blank polierten Rakete reitend durch das Deck des Zeppelins, steuerte das massive Projektil zielsicher auf den pfeifenden Goblin zu und brachte es schließlich genau vor ihm zum Stehen.
„Eure Rakete, Meister Kweezil. Viel Erfolg bei der Jagd.“
„Danke Ziz.“ Antwortete Kweezil, wie der Goblin offensichtlich hieß, griff in seine Gürteltasche und brachte eine Goldmünze hervor, die er geübt zu der Goblindame herüber schnippte, während er das Gefährt bestieg. Dann tippte er auf die Armaturen vor sich herum.
Ziel: Eiskrone.
Mit einem weiteren Rauschen donnerte die Rakete los, brach dabei durch eine der dünnen Außenwände der Festung und schoss hinaus in die Kälte.

Das Kolosseum der Kreuzfahrer war einst ein ehrfurchtgebietender Bau. Obwohl er inmitten der Schlachten gegen die Geißel errichtet worden war, thronte dieser Schauplatz eines Turiners zur Auswahl der besten und stärksten Champions zum Kampf gegen den Lich-König direkt und unmittelbar unter dessen Augen, spottete auf dessen Schrecken und wirkte dank der vielen Kämpfer, die nahe der großen Arena in den Zelten und der Kapelle hausten, wie ein sicherer Hafen inmitten des sicheren Todes. Doch ebenso wie alle Festungen in Nordend war es auch der Turnierplatz der Argentumdämmerung, der mit dem Ende des Lich-Königs geräumt und von nahezu allen Kräften verlassen worden war. Die Geißel spürte diese Schwäche und war in großen Scharen darüber hergefallen, um diesen Fremdkörper aus ihrer Mitte zu tilgen und damit das schwache Licht der Hoffnung zum Erlöschen zu bringen. Zelte waren abgebrannt, Mauern eingerissen und Holzbalken zerschlagen worden. Am Ende blieb somit nur noch ein Haufen Geröll und Asche. Lediglich an der Stelle, an der sich die Kapelle befunden hatte, war die Geißel nicht ganz so vollständig gewesen. Zwar lag der Altar in der Mitte gespalten umgeben von rußgeschwärztem Holz, waren die Bänke kaputt und die Zeltplanen, die einst das stolze Dach bildeten, zerrissen oder verbrannt, aber man konnte noch die genauen Umrisse der Kapelle erkennen. Und auch der Boden war noch, von der dunkleren Färbung abgesehen, weitestgehend intakt.
Eine große, dunkle und gänzlich mit Runen verzierte Zweihandaxt steckte vor dem Eingang der Kapelle in tiefes Eis geschlagen. Von dort führten Spuren aus Schnee und Schmutz ins Innere der Kapelle und direkt vor den Altar. Dort kniete, ein völlig verrußtes und teilweise verbranntes Gebetbuch in der einen, eine Feder in der anderen Hand haltend, eine Taurin. Ihre Augen g Leave a Comment