Ich habe nun schon mehrere Male im Netz zum Thema „Vakuum“ sowie der Exposition von Lebewesen im Netz herumgesucht. In Der Filmwelt, in Serien und in der Popkultur, aber leider auch vielen, vielen angeblichen Wissenschafts- und „Fakten“-Seiten liest man immer wieder den selben Blödsinn:
- Wer dem Vakuum ausgesetzt wird explodiert
- Wer dem Vakuum ausgesetzt wird, erfriert schlagartig, weil der Weltraum eiskalt ist
- Wer dem Vakuum ausgesetzt wird, verbrennt, weil die kosmische Strahlung einen röstet
- Wer dem Vakuum ausgesetzt wird, dessen Blut beginnt sofort zu kochen
- Wer dem Vakuum ausgesetzt wird, dessen Lungen platzen
und so weiter und so fort. Doch bevor wir ALLE obigen Punkte, ihre Ursprünge und das Maß, in dem sie ALLESAMT falsch sind, näher betrachten, gehen wir einmal an die grundsätzliche Physik heran:
Ja, im Weltraum ist es kalt, wenn man sich im „Schatten“ aufhält – also keine Wärmequelle wie ein Stern oder Ähnliches in Sichtlinie liegt. Direkt IN Sichtline wiederum können Sterne durchaus ZIEMLICH warm werden. WIE warm, kommt auf die Distanz und die Dauer der Exposition an. Und ja, wir hier auf der Erde können nur deswegen so gut leben, weil wir einen konstanten Druck von rund 1 bar auf uns lasten haben. Druck wiederum gibt es im Weltraum nicht – und dort herrscht ja schließlich ein Vakuum.
So weit, so klar. Nun sehen wir uns an, was diese Fakten für jemanden, der plötzlich aus einer Luftschleuse geworfen wird, bedeuten mag:
Im ersten Schritt wäre da der Druckabfall von 1 bar auf 0 (bzw. nahe 0. Der Weltraum ist zwar SEHR leer, aber eben nicht KOMPLETT leer). Die Druckänderung ist zwar plötzlich und heftig, aber es ist eben „nur“ eine Druckänderung um 1 bar – vergleichbar, wie wenn jemand aus 3 Meter Tauchtiefe sich mit aller Kraft vom Beckenboden abstößt und wieder aus dem Wasser heraus springt. Bei sowas gibt es sicherlich ein unangenehmes Knacken in den Ohren und vielleicht auch einen fiesen Druck im Kopf, aber bislang ist noch kein Taucher deswegen geplatzt. Wird also auch hier nicht passieren. Flüssigkeiten indes würden, da der Druck sie nicht mehr dran hindert, bei der normalen Körpertemperatur, die man so hat, durchaus zu kochen beginnen. Allerdings muss man sich hier wieder ansehen, WO GENAU am Körper denn diese 0 bar Druck herrschen.
Bei normalen, GESUNDEN Menschen ist das Blut in Adern INNERHALB des Körpers. Der Körper wiederum hat eine ihn umschließende Haut, reichlich Bindegewebe, Muskelfasern und derlei. Alles das sorgt nicht nur dafür, dass die Jeans und T-Shirts, die wir so tragen, nicht binnen Sekunden eine eklig rote Farbe annehmen, sondern halten auch den Körper zusammen. Im Körper selbst herrscht also KEIN Vakuum, sondern eben der körpereigene Druck, der den Körper zusammenhält. Blut, das kocht, wird man also eher nicht erleben – wohl aber, dass sämtliche Schleimhäute schlagartig austrocknen (denn DIE sind von aussen feucht und damit direkt dem Vakuum ausgesetzt), ebenso die Augen und alle Schweißdrüsen. Eventuell platzen die dünnsten, direkt unter der Haut befindlichen Blutgefäße, wahrscheinlich in den Augen, den Ohren und der Nase (denn dort sind die feinsten Blutgefäße).
Ob die Lunge platzt, kommt stark auf die Dummheit der Person an, die dem Vakuum ausgesetzt wird. Im Wesentlichen ist die Lunge nichts anderes als ebenfalls eine sehr stark durchblutete Schleimhaut (die also ebenfalls austrocknen und zu bluten beginnen wird. Eher ungut, je länger es dauert…), die aber eben auch viel, sich sehr schnell ausdehnende Luft enthält. Atmet man vor der Exposition jedoch so stark aus, wie man kann, ist die meiste Luft bereits aus der Lunge heraus. Gleichzeitig dehnt sich die Luft zwar aus, sucht sich aber auch den schnellsten und leichtesten Weg nach draußen – die Luftröhre ist hier der einfachste und schnellste Weg. Nur, wenn man mit aller Kraft versucht, den Atem ANZUHALTEN, würde man versuchen, gegen diesen Druck anzukämpfen und bestünde das Risiko, dass die Lunge reißt und somit tödlichen Schaden nimmt. SO dumm sind für gewöhnlich nur die Autoren, die diesen Mythos verbreiten sowie die Leser, die diesen Mist glauben.
Erfrieren wiederum ist gänzlich dämlich und kann sehr simpel widerlegt werden: Temperatur kann nur durch DREI Arten Wärme abgeben: Konvektion, Konduktion und Strahlung. Die ersten beiden erfordern ein Medium, mit dem man das Temperaturdelta (Unterschied zwischen Warm und Kalt) tauscht. Beides haben wir im Vakuum nicht – denn wo keine Luft, da keine Konvektion, wo kein großer Kühlkörper (der dann seinerseits mittels Konvektion gekühlt wird), keine Konduktion. Bleibt nur der ineffizienteste Weg der Wärmeabgabe: Strahlung. DIE wiederum gibt jeder Körper ab – in Form von Infrarotstrahlung. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass jemand nicht nackt in den Weltraum geworfen wird, sondern zumindest ein T-Shirt und eine Hose trägt, ist der größte Teil der Körperoberfläche bedeckt – und damit ist die Wärmeabgabe über Strahlung schon nahe 0. Deswegen wird der Kaffee, wenn er in eine VAKUUM-Thermoskanne gegossen wird, auch nicht schlagartig zu Eis – er ist „isoliert“. Genau so wäre es auch im Weltraum.
Was die Wärmestrahlung angeht: Direkt vor einem Stern würde man sicher binnen Minuten, vielleicht sogar Sekunden, einen heftigen Sonnenbrand bekommen, so man nicht irgendwas trägt, das die Strahlung abschirmt (hier denken wir wieder an Hose und T-Shirt). Ist es vorhanden, wars das mit dem Sonnenbrand, sind so nur die Körperregionen betroffen, die direkt exponiert werden.
In Summe kann man also sagen: Man erfriert nicht, man verbrennt nicht und man explodiert auch nicht. Aber ohne jeglichen Schutz wird man es im Weltraum sicher nicht sonderlich lange machen, werden die Schäden an Lunge und den Sinnesorganen bereits nach einigen Sekunden beträchtlich. Das ist btw. auch genau das, was man bei Astronauten, die sich durch Fehlfunktionen an ihren Anzügen bereits zeitweise dem Vakuum ausgesetzt hatten, beobachten konnte.
Interessanterweise gibt es genau ZWEI Serien, die das richtig hinbekommen haben: Star Trek (wo Dr. Crusher eben haargenau diese Auswirkungen der Auswirkungen des Vakuums auf den Körper erklärte und demonstrierte. Sehr sehenswert btw.) und The Expanse (eine per se hervorragende und wissenschaftlich SEHR korrekte Serie). Das es im ganzen Rest der „Science Fiction“ und insbesondere überall, wo man doch „sooo korrekt“ sein will, immer noch falsch erzählt wird, empfinde ich, als Fan genau solcher kleinen, aber wichtigen Details, als Blamage. Das es indes noch Blogs oder „Experten“ gibt, die das falsch erzählen, ist indes noch mehr als das: Es ist peinlich und stellt die Kompetenz dieser Leute im Ganzen infrage.