Vor gut einundzwanzig Jahren – es war an einem kalten Dezemberabend, erblickte ein Junge das Licht der Welt. Sein Vater, der ehrenwerte Sir Sigmund von Kelros sowie seine Frau Christina, waren stolz ob ihres neu geborenen Sohnes. Trantos wollten sie ihn nennen – und wäre es nach dem Traume seines Vaters gegangen, wäre aus jenem Jungen baldigst ein tapferer Krieger geworden, der es gar alleine mit den roten Drachen aufnahm – eben ganz wie sein Vater.
Doch schon bald zeigte sich, dass Trantos an den Waffen keinerlei Interesse hegte. Sicher – er spielte wie alle anderen Kinder gerne mit den kleineren Waffen. Doch statt wie alle anderen einen Dolch in schwertähnlicher Geste zu halten und sich einen Teller als Schild vor die jugendliche Brust zu klemmen, packte er lieber das kleine Beil, dass neben dem Kamin hing und mit dem sein Vater das Holz klein schlug.
„Es ist nun einmal so, dass nach einer Generation des Todes und der Zerstörung, die ein Krieger – sei er auch noch so edel und von den besten Träumen und Gedanken gelenkt – eine Generation des Aufbaus und der Kreativität steht. Dein Sohn, mein Schwager, ist das Beispiel hierfür.“ Erklärte eines Abends Morestius, der Weise, dem Vater von Trantos. Er selbst war einer der höchsten und geachtetsten Magier des Landes – vom Fürsten dieses Königreiches selbst zum höchsten Berater ernannt worden. Es hielt sich gar das Gerücht, dass selbst die Königin bei schweren Entschlüssen, die die Welt der Menschen sowie ganz Astaroth betrafen, seinen Rat konsultierte. Aber das war nur ein Gerücht denn niemand hatte ihn je in Richtung der Hauptstadt reiten sehen. Über seinen Panther indes, der stets an seiner Seite war, rangen sich ebenso die Gerüchte. Es hieß, dass hinter den kristallblauen Augen der pechschwarzen Katze entweder ein Engel oder ein Teufel steckte. Wann auch immer Morestius seinen Turm verließ – der Panther folgte ihm stets mit einem Schritt Abstand hinterher. Und wehe ein Taschendieb machte auch nur den Ansatz, Morestius beklauen zu wollen. Zwar knurrte der Panther nicht, doch sein Blick war derart eiskalt und furchterregend, dass dem Dieb das Blut im Leib zu gefrieren begann und er sich nicht mehr zu bewegen wusste.
Die Tatsache, dass sein Sohn ein „nichtsnutziger“ Handwerker würde, der „sein Leben mit Basteleien verschwendet“ oder gar ein „Halsabschneider“ würde, machte Sigmund rasend vor Wut. Er war fest entschlossen, aus seinem Sohn einen Krieger zu machen, der einst – ebenso wie er selbst, zum Ritter geschlagen würde. Deshalb nahm er den Jungen wann immer er konnte mit zu großen Ritterspielen, zeigte ihm die Freuden einer Jagd und ließ ihn sogar einmal den Bogen halten.
Doch anstatt mit diesem Bogen aus feinstem Buchenholz auf das Reh zu zielen, dass ihm sein Vater zeigte, fuhr er über die feinen Gravuren, die der Bogen von geübten Zimmerleuten erhalten hatte. Doch schienen ihm einige dieser Muster unregelmäßig.
Er legte den Bogen daher auf den Boden, holte sein kleines Messer heraus und begann unter den schockierten Augen seines Vaters damit, die Verzierungen des Bogens nachzubearbeiten.
Trantos hatte seine Arbeit gerade vollendet als sein Vater ihm den Bogen aus der Hand riss.
„Was bildest du dir ein, dass du dort machst?!“ schrie er den kleinen, gerade mal fünf Jahre alten Jungen, an. „Hatte ich dir nicht gesagt, dass derartige Arbeiten etwas für Diener sind? Für Halsabschneider und Leute, die ihre Ehre nur anhand des Goldes, dass sie unter ihrem Kissen haben, messen können?“ brüllte er wutentbrannt und vertrieb so auch noch das letzte Reh aus der Gegend.
„Aber Vati, es macht halt immer solchen Spaß, mit dem Messer die Muster in das Holz…“ begann der Kleine eingeschüchtert. Doch die schallende Bassstimme seines Vaters unterbrach ihn mitten im Satz.
„Du weißt gar nichts! Ehrlose Arbeit ist das, was du dort tust! Glaubst du im Ernst, dass es einen Balron oder einen Drachen interessiert, wie schön und fein der Bogen des Rangers gefertigt ist? Meinst du es interessiert irgendjemanden? Meinst du?!“ fauchte er.
Trantos blickte traurig zu Boden. „Mich…mich interessiert es.“ Murmelte er leise vor sich hin. Die Antwort seines Vaters kam prompt – in Form einer Ohrfeige, die den Jungen einige Meter zur Seite schleuderte.
„Und jetzt wage es nicht auch noch zu weinen. Sonst lasse ich dich hier im Wald zurück – sollen doch deine Schnitzereien deinen Hals retten wenn du einem Schwert nicht vertraust.“ Schimpfte der Vater weiter als Trantos zu weinen begann.
Dann ging er – ohne auf den Jungen zu warten oder ihm gar zu helfen. Nur ein Kurzschwert ließ er im Boden in der Nähe stecken – vielleicht würde Trantos ja so zur Besinnung kommen.
Doch weit gefehlt. Trantos sah regungslos an Ort und Stelle – verängstigt von den harten und gemeinen Worten seines Vaters. Er hatte Angst, er hatte Hunger und er war allein. Oder doch nicht?
In einer Entfernung hörte der Kleine ein schlagendes und sägendes Geräusch. Dem folgte bald darauf ein lauter Schrei „Aaaaaaaachtuuuung!“, dem ein lautes Knacken im Gehölz folgte.
Ein Holzfäller! Ja, das musste wohl einer sein. Schnell eilte der Kleine zu dem Holzfäller hin und sah ihm bei seiner Arbeit zu – wie dieser die Äste von einem Stamm abschlug und dann den Stamm selbst von der Rinde befreite.
Der Holzfäller merkte erst nach gut einer halben Stunde, dass er beobachtet wurde. Doch dann erstaunte ihn umso mehr, dass ein kleiner Junge wie Trantos gänzlich allein im Wald herum lief.
„Aye, was machst du denn hier du kleines Würmchen?“ fragte der Holzfäller mit zwar rauer, aber dennoch recht warmer Stimme. Erst jetzt, da er sich zu Trantos umgedreht hatte, sah dieser dass die Haarpracht des Holzfällers ergraut war und er einen langen, ebenfalls grauen Bart trug.
Trantos zitterte und war stumm vor Angst und Respekt als der Holzfäller seine Axt derart hart in den Baumstamm rammte, dass diese im Holz stecken blieb und ohne weiteres Zutun aufrecht im Holz stand.
„Hast dich sicher verlaufen, wa? Oder hat ma wieder einer dieser nixnutzigen Krieger gemeint, seinen Jungen so zur Selbständigkeit erziehe zu wolle?“
Beim letzten Satz horchte Trantos leicht auf.
„Ach, et is doch immer wiedda das Selbe mit diesen Kriegern.“ Sprach er langsam und setzte sich auf den Baumstamm. Dann holte er aus der Tasche, die an einem der Äste eines anderen Baumes hing, einige Laibe Brot.
„Bissu hungrig?“ fragte der alte Holzfäller und warf im selben Moment Trantos ein Stück Brot zu.
Trantos blickte etwas verklärt auf das sehr dunkle, trockene Brot. So etwas kannte er gar nicht – etwas derart Simples. Aber er probierte es nach einigem Zögern.
Nach gut einer Stunde hatte der kleine Junge seine Angst etwas überwunden und unterhielt sich mit dem Holzfäller. Der wollte von ihm nur als „Der alte Nick“ genannt werden und hackte bald darauf wieder auf den Baum ein.
Trantos indes saß auf dem Stumpf des gerade frisch gefällten Baumes und hielt einen der Äste in der einen, sein Messer in der anderen Hand.
Es dauerte nur einige wenige Minuten bis man klar die Form eines Bogen erkannte. Sicher – der Bogen war lang nicht so perfekt wie der, den er von seinem Vater gezeigt bekommen hatte. Aber für seinen ersten.
Der alte Nick blickte das Werk von Trantos überrascht an.
„Sag mal mein kleiner Freund – hast du das gerade geschnitzt?“
„Ja, aber er ist nicht sonderlich gut geworden glaube ich.“ Murmelte der Kleine.
„Zeig einmal her.“
Vorsichtig fuhr der alte Nick über den Bogen. Er war noch etwas eckig, aber es war ein Bogen. Ein robuster und auf seine Art ein wirklich schönes Werk.
„Mein Junge, an sich ist wohl ein Schreiner verloren gegangen.“ Schmunzelte der alte Nick und drückte Trantos sein Ersatzbeil in die Hand.
„Versuch mal einen der Äste loszuschlagen.“
Trantos gab sich alle Mühe – aber das Beil war für seine dünnen Arme einfach zu schwer.
„Nicht tragen sollst du das Ding. Schwing es. Versuch das Gewicht auf das Holz fallen zu lassen.“ Riet ihm Nick. Und dann endlich schaffte er es. Nach einigen recht unbeholfenen Schlägen knackte der Ast und brach schließlich ab. Trantos freute sich ob dieses Erfolges – auch wenn er wusste, dass sein Vater darüber nur noch mehr toben würde.
„So mein Kleina…“ begann der alte Nick, als er am Himmel die Sonne sich senken sah „jetzt wird’s Zeit für dich nach Haus zu gehen.“
Trantos nickte und blickte gleichzeitig gen Boden. Er wusste doch den Weg nach Hause nicht. Aber der alte Nick schien auch hier Rat zu wissen.
„Wenn du de Sohn vom Ritter Kelros bis – dann bring ich dich nach Haus. Komm Kleina.“
Und was der alte Mann versprach, dass hielt er auch.
Endlich zu Hause angekommen fiel Trantos’ Mutter um den Hals ihres Sohnes. Anders als der Vater hatte sie ihn wohl sehr vermisst. Sigmund war daheim nämlich nirgends aufzufinden.
Es vergingen die Jahre – Trantos Vater hatte die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben, aus seinem Sohn einen waschechten Krieger zu machen und hatte ihn in eine Kriegerakademie geschickt. Doch dort trug Trantos lediglich den Beinamen „Holzbein“ und wurde von den Kriegerkindern verspottet. Doch so sehr er diese Kriegerausbildung hasste – das am meisten gehasste Unterrichtsthema aller anderen nahm er mit Begeisterung auf: Training zum Muskelaufbau.
Während die anderen mit ihren Holzschwertern ihr Geschick und ihre Geschwindigkeit aufbesserten wurde Trantos langsam aber ehrlich stärker. Und mit der Kraft kam auch langsam etwas Selbstvertrauen. Etwa so viel, dass er sich mit seinen nun stolzen neun Jahren mitten in der Nacht aus der Akademie schlich, sich aus der Waffenkammer eine kleine Trainingsaxt holte, dann zur Hausmeisterstube und sich dort einen Hammer, eine kleine Säge sowie einige Nägel auszuleihen und entschwand damit in den nächstbesten Wald. So ging das einige Wochen und Monate gut und seine Werke wurden immer und immer besser. Doch als er nach drei Jahren des Akademiestudiums nicht einmal einen Ansatz von Kämpfermentalität zeigte, wurde Trantos der Akademie verwiesen.
Wieder war sein Vater sehr ungehalten über diesen Entschluss – seine Mutter indes freute sich darüber insgeheim doch etwas. Schließlich hing sie sehr an ihrem Sohn und wollte ihn nicht durch irgendeine männliche Spinnerei verlieren müssen. Ein heftiger Streit zwischen den beiden brach los, bei dem die Mutter nach einem langen Wortgefecht mitten im Satz einfach zusammenbrach.
Es wurde nach einem Arzt geschickt und festgestellt, dass Trantos Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Sicher, sie würde wieder gesund werden – aber der Streit selbst würde sicher nicht vergehen.
Trantos wusste nicht, was er tun sollte. Die Fähigkeiten, die ein Krieger benötigte, lagen ihm nicht und er wollte unter keinen Umständen sein geliebtes Hobby, das er nur zu gerne zu seinem Beruf gemacht hätte, aufgeben. Es blieb also nur ein Ausweg.
Im Schatten einer Sommernacht packte er einige Kleider, ein Beil, etwas Proviant sowie einige Goldstücke, die er sich zusammen gespart hatte, zusammen und schlich sich leise weg.
Mit seinen jugendlichen 12 Jahren ging er beim alten Nick in eine Art Lehre – und begann eine vierjährige Ausbildung zum Holzfäller und –Verarbeiter aller Art. Es war eine harte Aufgabe, doch sie bereitete ihm Freude. Wenngleich er ab und an von Heimweh geplagt wurde – er wollte nicht wieder nach Hause gehen. Doch er musste.
Mit 16 Jahren, einer erfolgreichen Ausbildung und sehr viel neuem Mute beschloss er schließlich, sein Elternhaus wieder aufzusuchen.
Sein Vater sah, was aus seinem Sohn geworden war. Die guten Kleider, die er bisher immer bekommen hatte, waren einfachen Fetzen Stoff und Leder gewichen. Ein altes Beil baumelte am Gürtel und die Haare von Trantos waren lang gewachsen.
Der alte Streit flammte erneut auf – heißer als jemals zuvor.
„Du verdammter Ignorant! Ich habe dir alle Tore geöffnet, eine glorreiche Zukunft zu beschreiten! Und du vergeudest dein Leben mit dem Handwerk!“ schrie der Vater auf den Sohn ein. Doch dieser ließ sich nun nicht länger einschüchtern. Entschlossen stellte er sich seinem Vater entgegen.
„Ich bin das, was ich bin, Vater. Ein Schwert zu führen – das kann ich nicht und ich werde es auch sicher niemals können. Ich will Dinge erschaffen, nicht sie zerstören.“ Fluchte er.
„Was ist mit deinem Titel? Unsere ganze Familie bestand aus Kriegern, Weisen, Gelehrten. Du kannst dich dem nicht abwenden! Tu etwas, auf dass die Familie stolz sein kann!“
Trantos atmete tief durch. „Wenn diese Familie und ihr Titel bedeutet, dass ich mein Leben nicht so leben kann, wie ich es für richtig halte, dann….“ begann er und stockte kurz darauf, um einmal tief Luft zu holen.
„…dann werde ich diesen Titel nicht annehmen! Das hier ist mein Leben, und ich

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