Beginnen wir einmal von vorn: Verkehrspolitik. Dieser Begriff ist in Deutschland sehr stark von nur einem Ding geprägt – dem Auto. Über Jahrzehnte wurden unsere Städte, wurde das Land, wurde die Kultur und die Menschen um das Auto herum entworfen und gebaut. Passenderweise hat es auch der bekloppte Österreicher verstanden, diesen Umstand zu nutzen und zahllose Menschen in Lohn und Brot zu bringen, sie so für sich zu gewinnen. Dieses Erbe, dieser Umstand – nämlich dass sich ein großer Teil der Menschen für die Mobilität mittels persönlichem PKW in unserem Land täglich abmüht oder irgendwie an dessen Entwicklung, Bau, Betrieb oder Ähnlichem beteiligt zu sein, hat bis zum heutigen Tag gehalten. Und genau hier beginnt das Problem bzw. sitzt der Kern ebendessen.
Mobilität ist so viel mehr als eben nur das Automobil. Es ist der Bus, der die Kinder zur Schule bringt, es ist das Fahrrad, mit dem man Ausflüge macht, zur Arbeit oder zum Studium pendelt, die Bahn, mit der man ohne Mühe quer durch Europa fährt und sogar der Gehweg, über den vom Bettler bis zum Millionär jeder gleichermaßen flaniert. Mobilität ist noch viel mehr als das, umfasst aber grundsätzlich vom Antrieb via Muskelkraft bis zum beliebig starken Motor und nahezu unendlich skalierbaren Materialeinsatz alles, was das Vorankommen antreibt. Dennoch bleibt die Denke bei „Mobilität“ oder „Verkehr“ immer nur beim Auto haften, beschränkt sich Verkehrsplanung gefühlt ausschließlich auf eben jenes Gefährt. Ein Gefährt, das in den letzten Jahren und Jahrzehnten in allen Dimensionen gewachsen ist, immer teurer wird, aber dennoch durchschnittlich immer weniger Menschen befördert. Mit dem Voranschreiten von autonomen Funktionen wird die Zahl der beförderten Menschen pro Fahrzeug zukünftig gar unter die durchschnittliche 1 fallen, wenn die Autos dann vollautonom im Stau stehen und die Straßen verstopfen. Dagegen etwas zu tun, sollte selbstverständlich und die erste Aufgabe eines Bundesverkehrsministeriums sein. Allerdings hört man diesbezüglich nichts anderes als Stille, Schweigen, bestenfalls Sprüche Marke „Technologieoffenheit“.
2015 haben sich 195 Länder darauf geeinigt, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um dem Klimawandel entgegen zu wirken, Maßnahmen zu ergreifen und so bis 2035 die Erhitzung des Planeten auf 1,5° über dem Niveau aus der Vorindustrialisierung zu halten. Seit 2015 sind nun schon 8 Jahre vergangen, in denen nur mäßig wenige Erfolge erzielt wurden. Seit 2015 war jedes einzelne Jahr eines der drei heißesten des Jahrhunderts, wurden allen Orten neue Rekorde aufgestellt. Um dem zu begegnen und die Ziele, die 2015 vereinbart wurden, einzuhalten, hat Deutschland sich eigene, persönliche Ziele gesetzt, diese für jeden Sektor einzeln definiert. Über alle Parteien hinweg (ich beschränke mich hier allerdings nur auf demokratische Parteien, die an einem geordneten und produktiven Miteinander interessiert sind. Naturgemäß fällt eine gewisse Partei mit dem A vorne eh schon aus dem Raster. Und auch wenn die Rechtsradikalen unter dem Deckmantel einer „Alternative“ gerade Aufwind haben, bleiben sie dennoch eine Fraktion, die nichts anderes zu leisten in der Lage ist, als zu zersetzen, zu blockieren und rückwärtsgewandt in verzerrt-romatischer Träumerei zu versinken. Wo derartige Dinge hinführen, sieht man btw. gerade sehr schön am Beispiel Großbritannien) ist man sich mittlerweile einig, dass man etwas tun MUSS. Allerdings zeigt sich auch, dass etliche meinen, reine Lippenbekenntnisse würden ausreichen und das Problem würde, so wie damals die Starfighter-Affäre, einfach durch Aussitzen von allein von der Bildfläche verschwinden. Entsprechend sind die persönlichen Ziele von Deutschland auch eher unambitioniert, viel zu schwach und für das Erreichen des 1,5°-Ziels nicht ausreichend.
Und JETZT kommt noch hinzu: Selbst diese wenig ambitionierten Ziele können nicht erreicht werden, weil unser aktueller Verkehrsminister (und auch die Totalausfälle, die vor ihm kamen) weder eine Vision, noch den nötigen Popo in der Hose hat, um etwas daran zu ändern. Vorschläge und Gutachten, die ihm vorgelegt werden, bügelt er mit billigen Ausreden und Versprechungen von Luftschlössern weg. Tempolimits etwa sind, obwohl diese von einer breiten Mehrheit der Deutschen begrüßt werden, seiner Meinung nach nicht mehrheitsfähig. Auch bemängelt er die nicht ausreichende Verfügbarkeit von Schildern, die auf die Tempolimits hinweisen würden. Stattdessen vertraut er auf E-Fuels, bei denen er die Frage nach der Verfügbarkeit allerdings nicht stellt. Naja, eventuell hat er da auch einfach etwas verwechselt – sollte er doch wissen, dass selbst, wenn alle Anlagen, die bis 2035 weltweit GEPLANT sind (von denen ist bereits aber weniger als 1% finanziert), gerade mal ausreichen würden, um den Spritbedarf der PKW-Flotte in Deutschland für EINE WOCHE zu sichern in der Lage wären (wohl gemerkt: Das wäre deren Jahresproduktion!). Das es neben Deutschland aber noch andere Länder und neben dem PKW-Verkehr auch noch den Schwerlast-, den Schiffs-, Flug- und Bahnverkehr gibt, der ebenfalls derartige Treibstoffe benötigen würde und unsere Industrie mit noch viel größeren Mengen arbeiten müsste, wird selbstverständlich außen vor gelassen und dabei nicht betrachtet.
Vor dem Hintergrund, dass er eben keine Lösungen hat, die in sein Parteibuch passen, macht unser Verkehrsminister also nichts. Entsprechend steigt die Zahl der PKW auf den Straßen, die Zahl an Autobahnkilometern steigt (wobei diese nicht einmal mehr korrekt in Schuss gehalten werden kann, Brücken bröckeln, Straßen absinken, Entwässerungen überfordert sind, Straßenbeläge schmelzen…) und somit auch die Emissionen aus dem Straßenverkehr. Unser Bundeskanzler indes, statt den Verkehrsminister zu rüffeln und zum Handeln aufzufordern, deckt diesen.
So viel zum Hintergrund, den man im Kopf behalten sollte, wenn man sich die Maßnahmen der Letzten Generation ansieht und bewerten will. Die Wahl der Straßen, die von ihnen blockiert werden, ist also nicht wahllos gefallen oder bewusst dazu gedacht, Menschen zu ärgern. Und es ist, wie der Titel dieser Seite schon vorgab, gewiss auch kein Spass oder Ausdruck von Langeweile von Aktivisten, wenn diese sich auf der Straße den gebündelten Hass von Leuten mit eher kleinem Ego (mit oder ohne Uniform btw.) aufladen, körperliche Gewalt erfahren, verletzt werden, eingesperrt, verfolgt, eingeschüchtert, denunziert, beleidigt und geächtet werden. Sie tun dies, weil sie Aufmerksamkeit erregen wollen, weil es scheinbar nicht einmal unser Bundesverfassungsgericht mehr vermag, den fortgesetzten Bruch des Pariser Abkommens von 2015 und das Urteil, dass Deutschland etwas zum Schutz der Menschen in unserem Land tun MUSS, dies eben auch Klimaschutzmaßnahmen einschließt, zu unterbinden.
Was man dagegen tun kann oder soll? Der erste und wahrscheinlich wichtigste Schritt wäre, den wirklichen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, also denjenigen, der die selbst gesteckten Klimaziele wiederholt reißt und nicht im Traum daran denkt, etwas daran zu ändern. Stattdessen auf andere Länder zu verweisen und zu fordern, diese sollten doch gefälligst mehr tun (obwohl diese ihre eigenen, persönlichen Ziele haben und diese – im Gegensatz zu uns – nicht nur einhalten, sondern teilweise sogar EXTREM übererfüllen), dient nur dazu, vom eigenen Versagen abzulenken, löst eben dieses Problem aber nicht.
Also: Wenn jemand will, dass die Proteste, die Blockaden und sonstigen Aktionen aufhören, der sollte nicht gegen das Symptom kämpfen, sondern gegen die Krankheit. Und diese Krankheit, meine Freunde, sitzt im Bundesverkehrsministerium, nicht mit Warnweste auf der Straße.
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