Ja, diese Frage könnte man sich in der Tat stellen, wenn man das so liest. Warum beispielsweise setze ich mich politisch für Dinge ein, die mir persönlich Nachteile bescheren, von denen ich in meinem Leben niemals etwas haben würde und die im Gegenteil erstmal nur kosten?
Eine Generation pflanzt Bäume, die nächste genießt den Schatten
Chinesisches Sprichwort
Es ist, wie ich denke, einfach ein Teil meiner Denk- und Lebensweise, Teil meiner persönlichen Philosophie. Auch deswegen bin ich normalerweise nie sehr lange nachtragend, obwohl man mich sehr wohl auch verletzen kann – und ich Konsequenzen aus ebendieser Verletzung ziehe, gewisse Menschen und Situationen meide. Gleichzeitig aber trachte ich nicht etwa nach Vergeltung, sondern begrüße es im Gegenteil, wenn derjenige, der mich verletzt hat, nun ernsthafte Bemühungen zeigt, etwas am vorangegangenen Fehler zu ändern.
Ich sehe es an mir selbst: Wir Menschen sind nicht perfekt. Ich bin es nicht, ich erwarte es von niemand anderem. Ich erwarte lediglich, dass sich jeder genau dieser Tatsache bewusst ist und damit seine Mitmenschen eben auch als Menschen behandelt. Es ist niemandem geholfen, einen auf Karen zu machen und einfach nur den eigenen Ärger auf einen anderen zu projizieren. Es verbessert nicht nur nicht die eigene Situation, sondern macht den Tag eines anderen lediglich ebenfalls schlechter. Unnötig. Und ja, mir ist bewusst, dass ich ähnlichen Mist während meiner ersten Jahre als Headhunter selbst gemacht habe. Ich nenne das deswegen auch gern die „gewissenlosen Jahre“, die mir gewiss nicht viel Gutes gebracht haben und die ich überwinden musste. Das ist eventuell der Vorteil des Alters – man wird im Alter milder, ruhiger und weiser.
Was mir allerdings am ärgsten unter den Nägeln brennt, ist die verbrannte Freundschaft mit einer sehr geschätzten Künstlerin, die ich nur zu gern wieder aufleben lassen würde. Und das, obwohl wirklich mit allem nach mir geworfen wurde, was man sich vorstellen kann, obwohl ich dank folgender Morddrohungen nächtelang kein Auge zumachen konnte und auch wegen ihr meine Adresse nun bewusst etwas bedeckter halte, wegen ihr meine Onlinepräsenz auf ein absolutes Minimum reduziert habe und etliche Kontakte zu gemeinsamen Bekannten entweder vollends oder weitestgehend verstummt sind. Dennoch – würde sie versuchen, Kontakt mit mir aufzunehmen und es ehrlich meinen, ich wäre gewiss einer von jenen, die über vergangene Fehler, vergangene Worte hinwegsehen würden, obwohl es nun schon Jahre her ist, dass ich überhaupt irgendwas an Interaktionen mit ihr ausgetauscht habe – auch wenn sie im vergangenen Jahr erneut nur in meine Richtung geschnaubt hat.
Vielleicht bin ich einfach nur ein Mensch, der Dinge reparieren will, die kaputt gegangen sind, der sein Bestes tun will, gut zu sein, ein freundlicher, hilfsbereiter und in gewisser Weise selbstloser Mensch – in einer Zeit, in der die Menschen immer selbstsüchtiger, blinder, kälter und distanzierter werden. Das mag nun hochgradig dumm und einfältig klingen, aber so bin ich von meinen Eltern einst erzogen worden, so will ich leben. Und wenn es eines gäbe, was ich mir wirklich vom ganzen Herzen wünschen dürfte, dann, dass dieses Bestreben meinerseits auch Nachahmer findet – und meine Bemühungen so nicht ganz sinnlos bleiben.
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