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Kapitel 8 – Traumhafte Lektionen

„Wach auf Braline! Aufwachen!“ rief eine freundlich warme Stimme.

Sie blinzelte.

„Na komm schon Braline. Es gibt viel zu tun!“ forderte die Stimme weiter.

Erneut blinzelte sie, öffnete dann die Augen.

Ein sanft grünlicher Schimmer lag über allem um sie herum. Sogar der Taure in den langen, grünen Gewändern vor ihr schimmerte leicht grünlich, blickte sie aus geschlossenen Augen und mit einem freundlichen Lächeln an.

„Genug geschlafen, meine Kleine. Es ist Zeit für dich, einige Dinge zu verstehen.“ sagte der Taure vor ihr, griff nach ihrer Hand und zog sie daran langsam in eine stehende Position.

Sie sah sich um.

Sie beide standen auf einer kleinen Insel, mitten in einem See, dessen Wasser so wunderschön silbern glänzte wie das Mondlicht höchst selbst. Ein sanfter Windhauch umschmeichelte sie, liebkoste ihre Wangen, fast schon lieblich. Ganz so, als wolle die Natur sie umarmen.

„Wo…sind wir?“ wagte sie es, den Tauren zu fragen. Doch der lächelte nur weiterhin sanft.

„Deine Freunde brauchen deine Hilfe. Doch nicht nur sie…der Pfad und die Bestimmung eines jeden Druiden ist, all jenen zu helfen, die jener Hilfe bedürfen. Genau wie sie bist du das Werkzeug, das Ohr, Auge und der Mund der Welt, um die Kräfte gerecht zu verteilen.“

„Ich…verstehe nicht…“ brachte sie heraus, blickte den Tauren noch immer ratlos an. Der ergriff kurz darauf ihre Schulter.

Das Grün um sie herum wurde stärker, wuchs zu einem dichten Nebel heran, der alles einhüllte. Dann sah sie es vor sich: Ein Abgrund, an dessen Rand sie beide nebeneinander standen.

„Sieh.“ sagte der Taure und deutete die Klippen herunter.

Zögerlich sah sie herunter, erblickte den Jäger, mit dem sie vorher unterwegs gewesen war. Er kletterte an der Felswand entlang, schien ausgelaugt und erschöpft. In dem Moment, als sie ihn erblickte, verlor er den Halt und stürzte.

Und stürzte.

Und stürzte.

Und schlug auf einem Vorsprung auf. Sie sah, wie er sich offensichtlich mehrere Knochen im Leib gebrochen haben musste, vor Schmerzen wimmerte.

„Oh nein! Tebo!“ schrie sie und suchte einen Weg, irgendwie zu ihm herunter zu gelangen. Doch da war kein Weg. Nur die steile Klippe und einige Dutzend Meter Luft, die sie beide trennten.

„Seine Wunden sind gefährlich. Er würde ihnen erliegen, wenn nichts geschieht.“ erklärte der Taure mit emotionsloser Stimme.

„Doch sein Tod ist noch nicht beabsichtigt. Er soll noch auf der Welt wandeln. Dies, Braline, weißt du tief in dir.

„Sicher..aber…was kann ich…ich muss zu ihm und….“

„Und was willst du tun? Bandagen werden nicht helfen und selbst Tränke lindern nur die Schmerzen.“

Er legte eine Hand auf ihre Brust, blickte sie dann starr durch seine geschlossenen Augen an.

„Du bist eine Gesegnete. Gesegnet von der Erdenmutter selbst, ein Teil der Natur und Bindeglied zum Leben. Du fühlst das Leben um dich herum, spürst es dich durchfließen. Und du kannst mehr – du kannst Leben schenken.“

„Ich….ich weiß nicht….wie…“ stammelte sie, blickte erneut zweifelnd zu ihrem Freund herab, der langsam zu sterben schien.

„Vertrau dir. Vertrau deinen Fähigkeiten, Braline. Schließ die Augen und bitte die Erdenmutter, all das Leben um dich herum, die Gesundheit deines Freundes wiederherzustellen, sein Leben zu verschonen. Rufe nach Hilfe für ihn – nicht mit deiner Stimme, sondern mit deiner Seele. Bitte die Erdenmutter um Gerechtigkeit, um ihre schützende Hand und darum, durch dich, ihre Dienerin, ihm Heilung zukommen zu lassen.“

„Aber ich…kann das doch…“

„Es liegt dir in der Wiege. Du beherrschst es vorzüglich. Hab Vertrauen in die Erdenmutter, denn dann wird auch sie dir und deinen Worten vertrauen.“

Noch immer sah sie den Tauren unsicher an. Der öffnete mit einem Mal seine Augen einen kleinen Spalt. Strahlend grüne Augen lagen unter den Lidern, blickten auf sie und fast durch sie hindurch, hinab bis in ihre Seele.

„Hab Vertrauen. Du kannst es. Das weiß ich.“

Nun schloss sie wirklich die Augen. In ihrem Geist murmelte sie Worte, flehte um Hilfe für den gestürzten Jäger und hob wie in Trance ihre Arme. Ein grünliches Glühen umgab ihre Finger, Hände und kurz darauf ihren gesamten Körper, während der Körper des Trolls leicht zu leuchten begann.

Wunden begannen sich zu schließen, Knochen gaben ein leises Knirschen von sich, als sie wie von Geisterhand wieder geradegerichtet wurden und zusammenwuchsen. Nur die blutigen Spuren blieben auf der Haut des Trolls, jedoch keine Narben oder ähnliches. All das dauerte nur wenige Sekunden, die Braunpelz allerdings wie eine Ewigkeit vorkamen. Ihr Körper zitterte, schüttelte sich und versuchte sich zuerst gegen dieses warme, wohlige Gefühl zu wehren, ehe sie sich ihm gänzlich hingab.

Genau in diesem Moment berührte der Taure ihre Schläfen.

Wissen durchschoss ihren Kopf. Die Wärme war da, so stark und präsent wie noch niemals zuvor. Ständig hallten dieselben Worte in ihrem Kopf wider, rasten Bilder vor ihren Augen umher.

Die Erde. Pflanzen. Bäume. Tiere. Die Luft. Wasser. Sogar das Feuer schien sie zu umkreisen.

Jetzt spürte sie die Elemente, fühlte den Wind um sie herum und wie er jedes einzelne Haar ihres Körpers umschmiegte, fühlte die Wassertropfen und das darin millionenfach vorhandene Leben. Ein leises Flüstern glitt durch die Felder, ein dumpfes Brummen ging von den Bäumen aus. Sie hörte alles und jeden sprechen, jeden von ihnen in seiner eigenen Sprache und einem anderen, charakteristischen Klang.

„Du hast deinen Weg gewählt, junge Taurin.“ hörte sie wieder die Stimme, sah nun aber keinen festen Körper mehr, sondern nur noch eine nebulöse, grüne Gestalt, deren Umrisse sie nicht fixieren konnte.

„Der Pfad der Wiederherstellung und Heilung. Kalimdor und ganz Azeroth werden dir die Kraft geben, die du benötigst, um denen zu helfen, die jener Hilfe bedürfen. Die Tiere werden dir ihre Kraft schenken, damit du dich wehren kannst. Und bedenke dies: Jene Kurzlebenden vergessen vielleicht die guten Taten, die du vollbringst, das Land jedoch ist alt wie die Zeit und wird deine Taten niemals vergessen – wie auch immer sie sein mögen.“

Braunpelz blinzelte. Die grüne Erscheinung vor ihr war mit einem Wimpernschlag verschwunden. Verdutzt rieb sie sich die Augen, blinzelte noch einige Male. Doch die Gestalt kam nicht wieder, blieb verschwunden.

Dann schloss sie wieder die Augen, lehnte sich zurück und genoss die Wärme, die sie umgab. Ein so wunderbares Gefühl, so geborgen, so friedlich. Der smaragdgrüne Traum war eine Idylle der Schöpfung, wie sie einmal war oder sein sollte, ohne Humanoide, Dämonen, Tiere oder derlei. Nur die Landschaft, einige wenige Geistererscheinungen, Pflanzen…die Natur.

Ein Paradies für die Seele, die hier unendlich umher streifen konnte, den Körper gänzlich vergessen und dennoch ohne einen Verlust weiterleben konnte, während im der wirklichen Welt der Leib langsam verdorrte. Doch Braunpelz spürte ihren Körper noch als eine Erinnerung in ihren Gedanken, hielt diese Erinnerung innerlich stets fest, um den Weg zurück zu finden.

Und jener Weg wurde erschüttert. Etwas rüttelte an ihr, bewegte ihren Körper hin und her.

Sie wurde neugierig, bog auf den Pfad, der sie zurück bringen sollte, glitt durch riesige, grün schimmernde Landschaften, vorbei an Bergketten und einem großen Wald, vorbei an einem großen Wasserfall, eine weitere Bergkette hinab über weite, grüne Wiesen. Dann wurde das grünliche Schimmern weniger, sie erblickte ihren Körper und glitt langsam wieder hinein.

Sie blinzelte, sah dann das lange Gesicht eines Trolls vor ihren Augen, dessen Gesichtszüge vom fahlen Mondlicht nur knapp beleuchtet wurden. Viele kleine Riefen und eine Narbe auf der rechten Wange. Kein Gesicht von einem harten Krieger, aber auch keines von einem verweichlichten Magier…das war offensichtlich ein Jäger.

Tebo….

„Ja Mann. Endlich wachste auf. Dachte schon du wärst irgendwie weg oder so was.“ kommentierte Teborasque mit mäßiger Begeisterung. Irgendetwas schien nicht zu stimmen….nur konnte sie sich nicht erklären, was eben das war.

Ihr Blick glitt zur linken, wo ein enttäuscht aussehender Orc gerade einen tropfenden Beutel ausschüttete. Offensichtlich wollte er es noch damit versuchen, sie zu wecken. Irritiert berührte sie ihr Gesicht und merkte, das er offensichtlich schon mehr als eine Ladung Wasser über ihr entleert haben musste: Ihr Fell an Kopf und Oberkörper und auch ihre Lederoberbekleidung war schon triefend nass.

„Wieso…was ist denn los?“ brachte sie schließlich hervor, nachdem sie dem hexenden Orc einen bösen Blick zugeworfen und ihre Augen wieder auf Tebo gerichtet hatte. Er hielt seinen Bogen in einer Hand, einen Pfeil in der anderen. Ein leises Fauchen ganz in der Nähe war zu vernehmen.

„Wir haben Besuch, Kleines.“ kommentierte Teborasque die Antwort und blickte in Richtung seines Katers, der mit gesenktem Oberkörper drohend vor einem kleinen Häufchen Wesen stand, das eher an eine wandelnde Leiche als an irgendein Lebewesen erinnerte.

Ein Gerüst aus Knochen und vereinzelten Fleischbrocken mit schief hängendem Kiefer. Doch nicht etwa nackt, sondern mit einer neuen, silbrig-lilanen Robe bekleidet, einem ebenso gefärbten Hemd, durch das die Rippen hindurch erkennbar waren und schwarzen Stiefeln, aus denen nur die Beinknochen oben heraus sahen. In einer Hand hielt die Gestalt einen Stab, die andere Hand war an einen Ledergürtel gelegt. Ein Hut hätte der Gestalt sicher gut gestanden – doch so standen die Haare, als wären sie in dieser Position fest einzementiert, steil nach hinten und gaben keine Regung von sich, als der Wind darüber strich.

„Nette Begrüßung. Fast so warm und herzlich wie mein Puls.“ grummelte der Untote, den Kater mit einem leeren Blick bedenkend.

„Was willst du hier?“ fragte Teborasque schnell und mit fester Stimme, bereit, den Pfeil in seiner Hand jeden Moment abzuschießen.

„Ursprünglich kam ich, um den hordischen Verbündeten zur Seite zu stehen. Doch sehe ich wohl, dass dies nicht erwünscht ist.“ brummte der Untote, nun die Taurin ansehend, die den Untoten umso deutlicher musterte.

Sicher, sie hatte schon einmal von Untoten gehört, die auch in Donnerfels lebten. Doch sie war nie zu den Teichen gegangen, um ihnen einmal wirklich zu begegnen. Höhlen hatten für sie immer etwas…nun…Unangenehmes gehabt.

Doch diese Gestalt dort…obwohl es widersinnig war, das etwas Totes wieder lebte, spürte sie in ihm das Leben…und kein schlechtes.

Langsam erhob sie sich und ging in Richtung des Untoten. Teborasque wollte sie zuerst zurück halten, gab dann aber schnell auf als er merkte, dass er wohl eine Taurin nicht so wirklich festhalten konnte.

Mit einer Hand strich sie über die Seite von Swift, der noch immer fauchend vor dem Untoten stand. Merkwürdigerweise beruhigte sich der Gepard mit einem Mal, sah kurz zu ihr und wandte sich dann um, ging zurück zu seinem Begleiter.

„Ich spüre in dir eine große Macht und ein starkes Streben nach Leben. Wenn du willst, kannst du gerne bleiben und mit uns ziehen.“ erklärte Braunpelz, während sowohl Teborasque und auch Vadarassar ihre Münder aufsperrten und nicht so recht glauben konnte, was diese Druidin da gerade über ihre Köpfe hinweg entschied.

Der Untote nickte. „Es stimmt also, was man über die Tauren sagt. Sie sollen Dinge sehen und spüren können, die anderen verschlossen bleiben.“ erklärte er, sah dann zu den anderen.

„Ich werde deiner Bitte entsprechen.“

Mit diesen Worten ging er knapp an ihr vorbei und setzte sich nahe den anderen auf den Boden, schloss kurz die Augen und seine Hände und konzentrierte sich. Ein leichtes Glühen umgab seine Finger, ehe er sie wieder öffnete und einen großen Becher Sprudelwasser in Händen hielt.

„Ein Magier also.“ brummte Vadarassar. „Wie nennt man dich denn, Flickwerk?“ „Bwalkazz.“

Published inWarlock - Geschichten eines Hexers

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